Rz. 269
Ist die Zustellung in einem Land der Europäischen Union vorzunehmen, ist nach § 183 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO die EU-Zustellungsverordnung als einschlägige Regelung der Zustellungsformen und des Verfahrens heranzuziehen. Die EU-Zustellungsverordnung erleichtert die Zustellung in den Ländern der europäischen Union mit Ausnahme Dänemarks (hierzu aber § 183 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO) außerordentlich, wenngleich die auf Art. 14 der EU-Zustellungsverordnung ergangenen nationalen Durchführungsregelungen unterschiedliche Modifikationen mit sich gebracht haben, so dass die eigentlich mit der EU-Zustellverordnung beabsichtigte Rechtseinheit nicht gänzlich erreicht wurde. Dies soll aber den mit der Regelung erreichten Fortschritt nicht gänzlich in den Schatten stellen.
Rz. 270
Die Zustellung erfolgt gemäß der Verordnung dabei sowohl im Rahmen gerichtlicher Verfahren als auch bei Zustellungen im Parteibetrieb.
Rz. 271
Zuzustellende Schriftstücke dürfen in der Sprache des Übermittlungsstaates übersandt werden, wenn der Empfänger diese Sprache versteht.[214] Dies wird insbesondere bei Unternehmen der Fall sein, da diese i.d.R. über Mitarbeiter mit Kenntnissen in den gängigen europäischen Sprachen verfügen. Damit entfällt ein zeit- und kostenintensives Übersetzen in die Sprache des jeweiligen Zustellungsstaates.
Rz. 272
Beispiel
Der deutsche Staatsangehörige D hat seinen Arbeitsplatz in Toulouse in Frankreich. Ihm soll ein deutscher Vollstreckungstitel zugestellt werden, um im Anschluss daran die Zwangsvollstreckung in sein Vermögen in Deutschland betreiben zu können, § 750 ZPO. Hier bedarf es keiner Übersetzung des Vollstreckungstitels und möglicher weiterer Unterlagen nach §§ 726 ff. ZPO, da D als Adressat des Schriftstückes der deutschen Sprache mächtig ist.
Rz. 273
Hinweis
Dass der Empfänger die Sprache des zuzustellenden Schriftstücks versteht, kann immer vermutet werden, wenn das zugrunde liegende Rechtsverhältnis in dieser Sprache begründet wurde, also beispielsweise der streitige Vertrag in Deutsch abgefasst ist. Allerdings muss beachtet werden, dass der Adressat die Annahme verweigern kann, wenn das zuzustellende Schriftstück nicht in einer von ihm beherrschten Sprache oder der Sprache des Empfangsstaates abgefasst ist, Art. 8 Abs. 1a EU-Zustellungsverordnung.
Rz. 274
Eine weitere Erleichterung bringt Art. 4 Abs. 4 der EU-Zustellungsverordnung. Danach bedürfen die zuzustellenden Schriftstücke keiner Beglaubigung oder anderer gleichwertiger Formalitäten mehr, sofern sich dies nicht aus anderen Vorschriften, d.h. dem materiellen Recht, ergibt.
Rz. 275
Das zuzustellende Schriftstück ist mit einem Formblatt (Art. 4 Abs. 3 EuZustVO, Anhang I) an eine Übermittlungsstelle zu übersenden. Nach § 1069 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist bei gerichtlichen Schriftstücken das betreibende Gericht und gem. § 1069 Nr. 2 ZPO bei außergerichtlichen Schriftstücken das Amtsgericht am Wohnsitz bzw. Sitz der die Zustellung betreibenden Person zuständig bzw. bei notariellen Urkunden dasjenige Amtsgericht, in dessen Bezirk der Notar seinen Sitz hat.
Rz. 276
Hinweis
Die Landesregierungen werden ermächtigt, die Zuständigkeit für mehrere AG-Bezirke zu bündeln. Die EU-Kommission ist beauftragt, diese Zuständigkeiten in einem Handbuch zusammenzufassen.[215]
Rz. 277
Das beizufügende Formblatt muss in der Amtssprache des Staates abgefasst sein, in dem die Zustellung bewirkt werden soll. Diese Amtssprachen werden ebenfalls im Handbuch aufgeführt. Im Formblatt sind überwiegend Adressangaben vorgesehen. Eine Übersetzung dürfte sich deshalb zumeist erübrigen.
Rz. 278
Tipp
Da im Amtsblatt der EU alle Formblätter in allen Sprachen veröffentlicht sind und diese jeweils identische Angaben enthalten, können Sie das deutsche Formblatt neben das ausländische Formblatt legen und Letzteres dann ausfüllen, ohne dass Sie die Sprache des Empfängerstaates verstehen müssen.
Rz. 279
Eine wesentliche Beschleunigung der Zustellung kann sich insbesondere bei Zustellungen im Parteibetrieb in einzelnen EU-Staaten aus Art. 14 Abs. 1 der EU-Zustellungsverordnung ergeben. Danach steht es einem Mitgliedstaat frei, die Zustellung eines Schriftstückes unmittelbar durch die Post zuzulassen, wobei er die einzelnen Bedingungen dieser Zustellungsart gesondert festlegen kann. I.d.R. handelt es sich dabei um die Zulassung der Zustellung unmittelbar durch die Post mittels Einschreiben mit Rückschein.
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