Rz. 185

Die Verweigerung der Annahme des zuzustellenden Schriftstückes durch den Adressaten oder einen zugelassenen Empfänger kann nicht zu einer Verhinderung der Zustellung führen. Vielmehr kommt hier nach § 179 ZPO, der die vor dem 1.7.2002 geltende alte Regelung in § 186 ZPO a.F. aufnimmt und weiter konkretisiert, eine Fiktion der Zustellung in Betracht. § 179 ZPO wird analog auf den Fall angewandt, dass einem vermeintlichen Vertreter einer nicht existenten Partei zugestellt wird.[144]

 

Rz. 186

Zunächst ist festzustellen, dass mit dem Antreffen des Adressaten oder eines möglichen Empfängers nach den §§ 171, 172 und 176178 ZPO die eigentliche Zustellung oder Ersatzzustellung möglich ist, so dass eine Niederlegung des zuzustellenden Schriftstückes nach § 181 ZPO ausscheidet.

 

Rz. 187

 

Hinweis

§ 179 ZPO gilt damit nicht für die Zustellung eines Schriftstückes nach § 174 ZPO gegen Empfangsbekenntnis. Wird hier die Annahme verweigert, muss die Zustellung durch die Post, den Gerichtsvollzieher oder einen Justizbediensteten erneut veranlasst werden.

 

Rz. 188

Eine Annahme darf nur dann verweigert werden, wenn der beabsichtigten Zustellung Mängel anhaften.

 

Rz. 189

 

Checkliste der Gründe für eine berechtigte Annahmeweigerung

Das zuzustellende Schriftstück enthält nur einen Nachnamen des Adressaten und unter der Zustellungsadresse sind mehrere Personen gleichen Namens vorhanden oder die Person des Adressaten ist sonst zweifelhaft, weil es etwa an dem Zusatz "jun." oder "sen." fehlt.
Die Ersatzzustellung an eine in der Wohnung anwesende Person wäre unzulässig, weil sich diese nur vorübergehend, etwa zu Besuch in der Wohnung aufhält.
Die Zustellung ist zu unpassender Zeit, d.h. zur Nachtzeit oder an Sonn- und Feiertagen erfolgt.
Die Zustellung erfolgt bei unpassender Gelegenheit, etwa anlässlich eines Begräbnisses.
Es gibt eine Divergenz im Aktenzeichen zwischen der Zustellungsurkunde und dem zuzustellenden Schriftstück.
Die Zustellung soll an einen nach § 178 Abs. 1 ZPO grundsätzlich vorgesehenen Empfänger im Wege der Ersatzzustellung erfolgen, obwohl dieser i.S.v. § 178 Abs. 2 ZPO an dem Rechtsstreit als Gegner der Person beteiligt ist, der das Schriftstück als Adressat zugestellt werden soll.
 

Rz. 190

 

Hinweis

Hier ist insbesondere der Fall des § 841 ZPO zu bedenken, bei dem der Schuldner am Rechtsstreit des Gläubigers gegen den Drittschuldner beteiligt ist.

 

Rz. 191

Ist die Annahmeverweigerung im vorbezeichneten Sinne unberechtigt, ist das Schriftstück in der Wohnung oder den Geschäftsräumen des Adressaten oder des Empfängers zu belassen, so dass dieser Gelegenheit erhält, die Annahmeverweigerung aufzugeben und vom Inhalt des Schriftstückes noch Kenntnis zu nehmen.

 

Rz. 192

Das Schriftstück ist demgemäß in den vorhandenen Briefkasten wie ein einfacher Brief einzuwerfen oder unter der geschlossenen Tür durchzuschieben. Auch ein Anheften an der Tür dürfte möglich sein, soweit eine Entfernung durch eine unberechtigte Person nicht zu besorgen ist.

 

Rz. 193

 

Hinweis

Auch hier verbietet allerdings § 178 Abs. 2 ZPO den Einwurf in einen Briefkasten, den der Adressat oder der Empfänger und sein Gegner gemeinsam benutzen,[145] da es sich hier nicht um eine Ersatzzustellung nach § 180 ZPO handelt, sondern immer noch um eine Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 ZPO. Nur für § 180 ZPO gilt § 178 Abs. 2 ZPO aufgrund seiner systematischen Stellung nicht mehr.

 

Rz. 194

Zugleich ist die verweigerte Annahme in der Zustellungsurkunde entsprechend § 182 Abs. 2 Nr. 5 ZPO zu vermerken.

 

Rz. 195

Fehlt es an einer Wohnung oder an einem Geschäftsraum, ist das Schriftstück an den Absender zurückzusenden, § 179 S. 2 ZPO. Dies gilt in gleicher Weise bei einer Zustellung in einer Gemeinschaftseinrichtung, die in § 179 ZPO nicht ausdrücklich genannt wird.

 

Rz. 196

Diese Verfahrensweise führt sodann nach § 179 S. 3 ZPO zu einer Zustellungsfiktion, d.h. der Adressat muss sich mit dem Zeitpunkt der Annahmeverweigerung so behandeln lassen, als sei ihm das Schriftstück in diesem Zeitpunkt zugestellt worden. Seine tatsächliche Weigerung, von dem Schriftstück Kenntnis zu nehmen, bleibt also für das weitere Verfahren unbeachtlich. Dies gilt auch dann, wenn der gesetzlich vorgesehene Empfänger einer Ersatzzustellung die Annahme unberechtigt verweigert.

[144] LG Berlin, Urt. v. 11.10.2007, 5 O 109/07, zitiert nach juris.
[145] LG Fulda MDR 1987, 149; Zöller/Schultzky, § 179 Rn 3.

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