Rz. 10

Die Kündigung ist grundsätzlich dem Vertragspartner, also dem Arbeitnehmer gegenüber vorzunehmen. Der Zugang richtet sich nach der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre. Eine unter Anwesenden übergebene Erklärung geht sofort zu, § 130 Abs. 1 BGB. Die dem Arbeitnehmer übergebene Kündigung ist daher im Moment der Übergabe zugegangen, unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer sie entgegennimmt und auch unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer in der Lage ist, eine in deutscher Sprache verfasste Kündigung zu lesen.Die unter Abwesenden abgegebene Erklärung geht nach § 130 BGB zu, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers oder eines empfangsberechtigten Dritten gelangt ist und für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von dem Inhalt des Schreibens Kenntnis zu nehmen. Wenn für den Empfänger die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht, ist es unerheblich, ob und wann er die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis genommen hat (vgl. unten Rdn 30 ff.).

 

Rz. 11

Der Zugang der Kündigung kann über einen sog. Empfangsboten erfolgen. Nimmt beispielsweise der zum Haushalt des Arbeitnehmers gehörende Minderjährige die Kündigung am Hauseingang entgegen und übermittelt diese dem Arbeitnehmer (Vater), so ist die Kündigung nach der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre zu dem Zeitpunkt zugegangen, zu dem sie den Arbeitnehmer (Vater) tatsächlich erreicht hat. Als Empfangsboten werden in der Rechtsprechung u.a. angenommen: die im selben Haus wohnende Schwiegermutter, die zugleich Vermieterin ist,[16] die Lebensgefährtin, die die Kündigung in der gemeinsamen Wohnung entgegennimmt,[17] alle Familienangehörigen, die mit dem Kündigungsempfänger in einem Haushalt leben.[18] Eine einem Empfangsboten übergebene Kündigung kann als zugegangen gelten, obwohl sie den Empfänger tatsächlich nicht (oder später) erreicht hat. Entscheidend ist, dass sie so in den Macht- und Zugriffsbereich gelangt, dass unter regelmäßigen Umständen mit der Kenntnisnahme gerechnet werden kann. Denn der Empfangsbote ist das "Übermittlungswerkzeug" des Empfängers. Das BAG nimmt solche "regelmäßigen Umstände" selbst dann an, wenn der Ehefrau die für den Ehemann bestimmte Kündigung an deren Arbeitsstelle übergeben wird. Die Kündigung soll selbst dann bereits am Tag der Übergabe zugegangen sein, wenn die Ehefrau vergisst, die Kündigung abends mit nach Hause zu nehmen.[19] Lehnt ein als Empfangsbote anzusehender Familienangehöriger des abwesenden Arbeitnehmers die Annahme eines Kündigungsschreibens des Arbeitgebers ab, so muss der Arbeitnehmer die Kündigung nur dann als zugegangen gegen sich gelten lassen, wenn er auf die Annahmeverweigerung, etwa durch vorherige Absprache mit dem Angehörigen, Einfluss genommen hat.[20]

 

Rz. 12

Von der Person eines Empfangsboten zu unterscheiden ist die Person eines Empfangsvertreters. Als solche sind alle diejenigen Personen zu bezeichnen, die nach der Verkehrsauffassung als ermächtigt anzusehen sind, den Empfänger im Empfang zu vertreten. Während die ältere Rechtsprechung beispielsweise noch den Vermieter als Empfangsvertreter ansah,[21] sind selbst volljährige Ehepartner nach neuerer Rechtsprechung nur Empfangsboten. Gem. § 164 Abs. 3 BGB finden §§ 164 ff. BGB bei Zwischenschaltung eines Empfangsvertreters entsprechend Anwendung. Dies bedeutet insbesondere, dass im Falle eines Empfangsvertreters die Kündigung bereits mit Zugang bei dem Vertreter dem Arbeitnehmer selbst als zugegangen gilt.

 

Rz. 13

Ist der Empfänger der Kündigung weder Empfangsbote noch Empfangsvertreter, so ist er dem Kündigungsadressaten nicht zuzurechnen. Der Empfänger ist dann als Erklärungsbote des Absenders zu betrachten. Die Kündigung geht deshalb erst dann zu, wenn sie (mittels des Erklärungsboten oder anderweitig) dem Adressaten tatsächlich zugeht oder so in seinen Machtbereich gelangt, dass unter regelmäßigen Umständen mit dem Zugang gerechnet werden kann. Der Standardfall ist der Bote, den der Arbeitgeber zur Übermittlung der Kündigung einschaltet.

 

Rz. 14

Ob die Prozessvollmacht des Rechtsanwalts gem. § 81 ZPO auch zur Entgegennahme von (weiteren) Kündigungen im Rahmen des Prozesses, z.B. im Rahmen einer sog. Schriftsatzkündigung, ermächtigt, ist streitig. Jedenfalls dann, wenn der Rechtsanwalt neben dem Kündigungsschutzantrag gem. § 4 KSchG auch einen allgemeinen Feststellungsantrag darauf gestellt hat, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Tatbestände beendet ist, bevollmächtigt die diesen Antrag umfassende Prozessvollmacht nach dem BAG im Zweifel auch zur Entgegennahme weiterer Kündigungen.[22]

 

Rz. 15

 

Praxishinweis

Arbeitnehmer-Vertreter legen häufig Vollmachten vor, in denen ausdrücklich nicht zum Empfang von Willenserklärungen bevollmächtigt wird. Dies ist zulässig.

Die Übergabe weiterer Kündigungen an den Rechtsanwalt des Arbeitnehmers ist infolge der dargestellten Rechtsprechung stets mit Risiken behaftet. Wenn dem Arbeitnehmer eine weitere Kündigung übergeben werden soll, so sollte...

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