Rz. 53

Bei der Pflegetagegeldversicherung i.S.d. § 192 Abs. 6 VVG wird eine vom Versicherungsnehmer festgelegte Summe im Bedarfsfall ohne Zweckbindung und zur freien Verwendung pro Tag ausgezahlt, wobei die Auszahlung aus Praktikabilitätsgründen nicht täglich, sondern monatlich erfolgt. Der Gesundheitszustand sowie das Alter bei Antragstellung haben Einfluss auf die Versicherbarkeit und die Höhe der Leistung. Risikozuschläge oder Ausschlüsse bei Vorerkrankungen sind möglich. Die meisten Versicherer im Pflegekostenversicherungsbereich verzichten auf eine Wartezeit.[25] Wird eine Wartezeit vereinbart und wird man innerhalb dieser Wartezeit pflegebedürftig, erhält man erst nach Ablauf der Wartezeit Leistungen.

Die Prämienhöhe kann vom Versicherungsunternehmen angepasst werden. Möglich ist auch, dass die Prämien weitergezahlt werden müssen, auch während der Bezugszeit. Eine anteilige Prämienrückzahlung im Todesfall, bei unterbrochener Prämienzahlung oder bei vorzeitiger Kündigung ist nicht vorgesehen.

 

Rz. 54

Die davon abzugrenzende geförderte Pflegetagegeldversicherung, auch "Pflege-Bahr" genannt, gibt es seit dem Pflegeneuausrichtungsgesetz (PNG) 2013. Grundgedanke ist, dass Bürgerinnen und Bürger für den Fall, dass Pflege beansprucht werden muss, selber vorsorgen können und sollen (Stärkung der Eigenverantwortung).[26] Deshalb wird diese Versicherung öffentlich nach §§ 126 ff. SGB XI gefördert. Eine Pflegevorsorgezulage in Form einer staatlichen Förderung von 5 EUR monatlich, also 60 EUR pro Jahr, ist vorgesehen, wenn die zulageberechtigte Person mindestens 10 EUR monatlich auf eine auf ihren Namen lautende zulagefähige Pflegeversicherung leistet. Dies ist unabhängig vom Einkommen der Versicherten und unabhängig davon, ob eine soziale oder private Pflegeversicherung vorliegt. Die zulageberechtigte Person muss das 18. Lebensjahr vollendet haben und darf nicht bereits Leistungen aus ihrer sozialen oder privaten Pflegeversicherung oder nach § 123 SGB XI erhalten haben.

 

Rz. 55

Damit die private Pflegezusatzversicherung staatlich gefördert wird, muss sie dem Anforderungskatalog des § 127 Abs. 2 SGB XI entsprechen. Diese Anforderungen versuchen die nachteiligen Aspekte einer Pflegetagegeldversicherung zu beseitigen:

Es besteht Kontrahierungszwang, d.h., allen in § 126 SGB XI genannten Personen (Zulageberechtigten) muss ein Anspruch auf Versicherung gewährt werden (§ 127 Abs. 2 Nr. 2 SGB XI).
Der Versicherer muss gem. § 127 Abs. 2 Nr. 3 SGB XI auf eine ordentliche Kündigung verzichten und darf keine Risikoprüfung durchführen.
Der Versicherer darf keine Risikozuschläge und Leistungsausschlüsse vereinbaren.[27]
Beim Vorliegen von Pflegebedürftigkeit i.S.d. § 14 SGB XI muss gem. § 127 Abs. 2 Nr. 4 SGB XI ein vertraglicher Anspruch auf Auszahlung von Geldleistungen für jeden Pflegegrad, mindestens aber 600 EUR für Pflegegrad 5, bestehen.[28]
Die Feststellung des Pflegegrades und des Versicherungsfalles müssen dem Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach § 18 SGB XI folgen (§ 127 Abs. 2 Nr. 5 SGB XI).
Die Wartezeit zwischen Vertragsschluss und Bedarfsfall darf nicht mehr als fünf Jahre betragen (§ 127 Abs. 2 Nr. 6 SGB XI). In der Praxis beträgt sie durchweg fünf Jahre!
Sollte die zulageberechtigte Person zwischenzeitlich hilfebedürftig i.S.d. SGB II oder SGB XII werden, so kann der Vertrag für mindestens drei Jahre ruhen, ohne dass bereits erworbene Anwartschaften verloren gehen (§ 127 Abs. 2 Nr. 7 SGB XI).
 

Rz. 56

Der "Pflege-Bahr" kann mit sonstigen Ergänzungstarifen kombiniert werden. Bei den Kombinationstarifen aus "Pflege-Bahr" und Ergänzungstarif werden Gesundheitsfragen gestellt; dafür verzichten die meisten Gesellschaften komplett auf eine Wartezeit.[29]

 

Rz. 57

In der konkreten Fallgestaltung, z.B. anhand des obigen Fallbeispiels 1, könnte eine Aufstockung wie folgt aussehen:

Fallbeispiel 1 Variante 1:

Wandelt man Fallbeispiel 1 in der Weise ab, dass fünf Jahre vor Eintritt des Bedarfsfalls eine private Pflegezusatzversicherung im Stil des "Pflege-Bahr" abgeschlossen wurde, ergeben sich unter Zugrundelegung der Versicherungsbedingungen einer hier nicht näher zu bezeichnenden, jedoch branchenüblichen Versicherung folgende Mittel zur Bedarfsdeckung, die nach §§ 39 Abs. 3, 48 BBhV nicht auf das Einkommen angerechnet werden dürfen und damit den notwendigen Pflege- und Lebensbedarf aufstocken:

 
Pflegegrad ambulant und stationär
1  60 EUR
2 120 EUR
3 300 EUR
4 480 EUR
5 600 EUR

Wäre die Mutter aus dem Fallbeispiel 1 1945 geboren, so hätte sie mit 70 Jahren noch eine Pflegezusatzversicherung ohne Gesundheitsprüfung zu einem branchenüblichen monatlichen Beitrag abschließen können, der bei einem Versicherungsabschluss im Jahr 2020 rd. 91 EUR (abzgl. 5 EUR Förderbeitrag) gekostet hätte und fünf Jahre später – nach Ablauf der Wartezeit – im Pflegegrad 3 zu einer Pflegezusatzleistung von 300 EUR pro Monat im Falle vollstationärer Pflege führen würde. Der letztlich selbst zu tragende Anteil an den stationä...

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