Rz. 117

Im Unterhaltsrecht sind folgende Haftungsformen bzw. Ansprüche zu unterscheiden:

die originäre Haftung (= Normalfall, ein vorrangig Haftender ist nicht vorhanden)

die Ersatzhaftung (= Sekundärhaftung, wenn ein vorrangig haftender Verwandter ausscheidet, § 1607 BGB)

§ 1607 Abs. 1 BGB: wegen Leistungsunfähigkeit eines vorrangig haftenden Verwandten oder
§ 1607 Abs. 2 BGB: wegen Erschwerung/Unmöglichkeit der gegen den vorrangig haftenden Verwandten gerichteten Rechtsverfolgung im Inland
die sog. echte Ausfallhaftung (keine Ersatzhaftung! vgl. FA-FamR/Seiler Kap. 6 Rn 504; von mehreren gleichrangig Haftenden ist einer leistungsunfähig; typischer Fall: beim Volljährigenunterhalt ist ein Elternteil leistungsunfähig; Achtung: z.T. wird jedoch auch die Ersatzhaftung nach § 1607 Abs. 1 BGB als "Ausfallhaftung" bezeichnet)
die sog. unechte Ausfallhaftung (keine Ersatzhaftung! der grds. lediglich anteilig haftende Elternteil beim Volljährigenunterhalt wird in voller Höhe in Anspruch genommen, weil der andere Elternteil nur fiktives Einkommen hat)
die sog. Surrogatshaftung/Subsidiaritätshaftung (Haftung zur Wahrung des angemessenen Selbstbehalts eines gesteigert Unterhaltspflichtigen, § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB; keine Ersatzhaftung!) = der bloße Ausschluss der gesteigerten Unterhaltspflicht (zur Wahrung des angemessenen Selbstbehalts)
die sog. Surrogatshaftung/Subsidiaritätshaftung (Haftung des betreuenden Elternteils bei deutlich höherem Einkommen zur Vermeidung eines erheblichen des finanziellen Ungleichgewichts; keine Ersatzhaftung!) = weitergehende Mithaftung des betreuenden Elternteils (in engbegrenzten Ausnahmefällen zur Wahrung des wirtschaftlichen Gleichgewichts der Eltern)
der familienrechtliche Ausgleichsanspruch analog § 1606 Abs. 3 BGB (keine Ersatzhaftung!)

Nachrangig haftender Verwandter i.S.d. §§ 1603 Abs. 2 S. 3, 1607 Abs. 1 BGB (Ersatzhaftung wegen Leistungsunfähigkeit eines vorrangig haftenden Verwandten) kann auch ein Großelternteil sein.

 

BGH, Beschl. v. 27.10.2021 – XII ZB 123/21 Rn 17

Die Unterhaltspflicht der gegenüber den Eltern gemäß § 1606 Abs. 2 BGB nachrangig haftenden Großeltern tritt als Ersatzhaftung im Sinne des § 1607 Abs. 1 BGB dann ein, wenn die vorrangig haftenden Eltern aufgrund des § 1603 BGB und damit mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig sind. Das Gesetz verweist dabei in vollem Umfang auf § 1603 BGB, so dass hiervon auch dessen Bestimmungen zur Subsidiarität der gesteigerten Unterhaltspflicht in Absatz 2 Satz 3 umfasst sind. Nach dem Gesetzeswortlaut soll das Vorhandensein eines im Rang nach den Kindeseltern Unterhaltspflichtigen mithin dazu führen, dass die verschärfte Elternhaftung für den Kindesunterhalt suspendiert ist.

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