Rz. 64

Wer die Testamentsvollstreckung als Tätigkeitsfeld betrachtet, muss auch einen Blick auf die Haftungsgefahren bei der Ausübung eines Testamentsvollstreckeramtes werfen. Das ist vor allem deshalb erforderlich, weil nach unseren Erfahrungen diese Haftungsgefahren noch immer gerne übersehen werden. Überdies hat diese Frage Auswirkung auf die Vergütung des Testamentsvollstreckers. Maßnahmen der Haftungsvermeidung, bspw. durch eine qualifizierte Aus- und Fortbildung sowie eine ausreichend bemessene Vermögensschadenhaftplichtversicherung kommen unmittelbar dem Nachlass zugute. Es versteht sich von selbst, dass ein Testamentsvollstrecker, der hier Vorsorge zugunsten der Erben oder Vermächtnisnehmer trifft, vergütungsmäßig jedenfalls nicht schlechter gestellt werden darf als ein Testamentsvollstrecker, der diese Vorsorge nicht trifft.

I. Haftungsproblem

 

Rz. 65

Nach § 2219 BGB haftet der Testamentsvollstrecker, wenn er die ihm obliegenden Verpflichtungen in seinem Amt schuldhaft verletzt, den Erben, den Vermächtnisnehmern und ggf. auch dritten Personen für den daraus entstandenen Schaden.[60] Mehrere Testamentsvollstrecker haften ggf. als Gesamtschuldner. Dies ist zwingendes Recht, so dass der Erblasser den Testamentsvollstrecker nicht davon befreien kann (§ 2220 BGB). Nur die Erben selbst können auf den Schutz des § 2220 BGB verzichten.[61] Hier ist nicht der Raum dafür, die einzelnen Voraussetzungen für eine etwaige Haftung des Testamentsvollstreckers darzustellen.[62]

 

Rz. 66

 

Praxishinweis

Es kann daher nur generell angeraten werden, vor Annahme des Amtes immer gesondert eine möglichst konkrete Deckungszusage einzuholen oder das Risiko durch eine spezielle Testamentsvollstreckerhaftpflichtversicherung abzusichern.

[60] Siehe dazu schon Rott/Kornau/Zimmermann, Praxishandbuch Testamentsvollstreckung, § 15; Rott/Schiffer, in: Pruns, Tagungsband 3. Deutscher Testamentsvollstreckertag 2009, S. 121 ff.
[61] Grüneberg/Weidlich, § 2220 Rn 1.
[62] Ausf. dazu siehe die Nachweis Fn 62 sowie: Winkler, Der Testamentsvollstrecker, Rn 559 ff.; Mayer, in: Mayer/Bonefeld, Testamentsvollstreckung, § 20.

II. Potentielle Anspruchsteller und Haftungsgegner

1. Erben und die Vermächtnisnehmer

 

Rz. 67

Die weitaus überwiegende Anzahl von Haftpflichtprozessen gegen Testamentsvollstrecker wird von den Erben initiiert. Dieser Umstand lässt sich bereits aus der besonderen psychologischen Konfliktsituation heraus erklären:

Auf der einen Seite fühlen sich viele Erben gegängelt, wenn der Erblasser Testamentsvollstreckung anordnet, und übertragen ihren Unwillen dann auf die Person des Testamentsvollstreckers.
Auf der anderen Seite schöpfen Testamentsvollstrecker mitunter die ihnen durch den Erblasser in die Hand gegebene Machtfülle im Verhältnis zu den Erben in unsensibler Weise aus.

In solchen Situationen sind Streitigkeiten beinahe zwangsläufig vorgegeben:

Solange eine Testamentsvollstreckung noch läuft, führen die Streitigkeiten meist zu einem Amtsenthebungsverfahren nach § 2227 BGB.
Scheitert ein solches Verfahren, kann der Testamentsvollstrecker fast sicher sein, dass die Erben nach Abschluss der Testamentsvollstreckung mit aller Akribie nach weiteren Pflichtverletzungen suchen werden, um ihn schadenersatzpflichtig zu machen.
 

Rz. 68

Die erste und zugleich sehr wirkungsvolle Schutzmaßnahme gegen einen Schadenersatzprozess ist daher der zwar bestimmte, aber vertrauensvolle Umgang mit den Erben.

Dazu gehört auch, dass der Testamentsvollstrecker, der bekanntlich nicht zur Ausschlagung des Erbes befugt ist, den Erben erforderlichenfalls Informationen zur Ausschlagungsentscheidung gibt.[63] Auch sollte er den Erben zügig die Unterlagen und Informationen zur Verfügung stellen, die diese benötigen, um ihrer Auskunftsverpflichtung gegenüber Pflichtteilsberechtigten nachkommen zu können.

 

Praxis- und Gestaltungshinweis

Aus § 2213 Abs. 1 S. 3 BGB folgt, dass der Testamentsvollstrecker für die Abwicklung der Pflichtteilsansprüche nicht zuständig ist. Dieser Umstand ist oftmals nicht bekannt. Unabhängig davon führt er zu Konfliktpotenzial zwischen Testamentsvollstrecker und Erben. Es ist daher grundsätzlich zu empfehlen, den Testamentsvollstrecker mit einer sog. Pflichtteilsvollmacht auszustatten, damit die Nachlassabwicklung aus einer Hand erfolgen kann.

 

Rz. 69

Der etwaige Schadenersatzanspruch gegen den Testamentsvollstrecker wird entsprechend § 2041 S. 1 BGB als Surrogat dem Nachlass zugehörig angesehen. Bei mehreren Erben ist er deshalb von diesen gemeinschaftlich geltend zu machen (§§ 2039, 2040 BGB). Anderes gilt allerdings, wenn nur ein Erbe geschädigt wurde.[64]

 

Rz. 70

Der Testamentsvollstrecker ist als Nachlassschuldner von der Vertretung des Nachlasses ausgeschlossen. Ist ein Nachfolger des schädigenden Testamentsvollstreckers bestimmt, unterliegt die Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs der Erben gegen den früheren Testamentsvollstrecker seiner Befugnis.[65]

 

Hinweis zur Haftung des Erben für Pflichtverletzungen des Testamentsvollstreckers

Bei Fehlern des Testamentsvollstreckers im Rahmen der Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten haftet d...

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