Rz. 462

Wer in einem Vertragsstaat eine Sorgerechtsentscheidung erwirkt hat und sie in einem anderen Vertragsstaat anerkennen oder vollstrecken lassen will, kann gem. Art. 4 Abs. 1 LSÜ zu diesem Zweck einen Antrag an die Zentrale Behörde jedes beliebigen Vertragsstaates richten. Dem Antrag sind bestimmte Urkunden (nämlich die in Art. 13 LSÜ genannten Schriftstücke) beizufügen (Art. 4 Abs. 2 LSÜ). Ist die Zentrale Behörde, bei der der Antrag eingeht, nicht die Zentrale Behörde des ersuchten Staates, so übermittelt sie nach Art. 4 Abs. 3 LSÜ die Schriftstücke unmittelbar und unverzüglich der letztgenannten Behörde. Die Zentrale Behörde, bei der der Antrag eingeht, unterrichtet gem. Art. 4 Abs. 5 LSÜ den Antragsteller unverzüglich über den Fortgang seines Antrags. Die Zentrale Behörde des ersuchten Staates trifft oder veranlasst nach Art. 5 Abs. 1 LSÜ unverzüglich alle Vorkehrungen, die sie für geeignet hält, und leitet erforderlichenfalls ein Verfahren vor den zuständigen Behörden ein, um

den Aufenthaltsort des Kindes ausfindig zu machen;
zu vermeiden, insbesondere durch alle erforderlichen vorläufigen Maßnahmen, dass die Interessen des Kindes oder des Antragstellers beeinträchtigt werden;
die Anerkennung oder Vollstreckung der Entscheidung sicherzustellen;
die Rückgabe des Kindes an den Antragsteller sicherzustellen, wenn die Vollstreckung der Entscheidung bewilligt wird; bzw.
die ersuchende Behörde über die getroffenen Maßnahmen und deren Ergebnisse zu unterrichten.
 

Rz. 463

Der Antragsteller hat nach Art. 5 Abs. 3 LSÜ nur die Kosten einer Rückführung des Kindes zu tragen: Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, vom Antragsteller keine Zahlung für Maßnahmen zu verlangen, die für den Antragsteller aufgrund von Art. 5 Abs. 1 LSÜ von der Zentralen Behörde des betreffenden Staates getroffen werden. Darunter fallen auch die Verfahrenskosten und ggf. die Kosten für einen Rechtsanwalt, nicht aber die Kosten für die Rückführung des Kindes.

 

Rz. 464

Wird die Anerkennung oder Vollstreckung versagt und ist die Zentrale Behörde des ersuchten Staates der Auffassung, dass sie dem Ersuchen des Antragstellers stattgeben sollte, in diesem Staat eine Entscheidung in der Sache selbst herbeizuführen, so bemüht sich diese Behörde gem. Art. 5 Abs. 4 LSÜ nach besten Kräften, die Vertretung des Antragstellers in dem Verfahren unter Bedingungen sicherzustellen, die nicht weniger günstig sind als für eine Person, die in diesem Staat ansässig ist und dessen Staatsangehörigkeit besitzt. Zu diesem Zweck kann sie insbesondere ein Verfahren vor dessen zuständigen Behörden einleiten.

 

Rz. 465

Eine eingehende Regelung über die Verkehrssprache trifft Art. 6 LSÜ: Vorbehaltlich besonderer Vereinbarungen zwischen den beteiligten Zentralen Behörden müssen Mitteilungen an die Zentrale Behörde des ersuchten Staates in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen dieses Staates abgefasst oder von einer Übersetzung in diese Sprache begleitet sein. Zudem muss die Zentrale Behörde des ersuchten Staates aber auch Mitteilungen annehmen, die in englischer oder französischer Sprache abgefasst oder von einer Übersetzung in eine dieser Sprachen begleitet sind. Mitteilungen, die von der Zentralen Behörde des ersuchten Staates ausgehen, einschließlich der Ergebnisse von Ermittlungen, können in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen dieses Staates oder in englischer oder französischer Sprache abgefasst sein.

 

Rz. 466

Hinweis: Ein Vertragsstaat kann die Anwendung der Vorgabe (dass die Zentrale Behörde des ersuchten Staates auch Mitteilungen annehmen muss, die in englischer oder französischer Sprache abgefasst oder von einer Übersetzung in eine dieser Sprachen begleitet sind) ganz oder teilweise ausschließen. Hat ein Vertragsstaat diesen Vorbehalt angebracht, so kann jeder andere Vertragsstaat ihm gegenüber den Vorbehalt auch anwenden. Den Vorbehalt nach Art. 6 Abs. 3 LSÜ haben die Bundesrepublik Deutschland, Griechenland, Liechtenstein, die Slowakei und Spanien uneingeschränkt, Dänemark, Estland, Finnland, Island, Lettland, Malta und Norwegen nur in Bezug auf Mitteilungen in französischer Sprache erklärt. Bulgarien und Polen verlangen eine Übersetzung in die eigene Sprache nur, wenn der übermittelnde Staat von dem Vorbehalt nach Art. 6 Abs. 3 LSÜ Gebrauch gemacht und beide Amtssprachen ausgeschlossen hat. Vgl. zudem § 4 Abs. 1 des IntFamRVG (siehe Rdn 454), wonach in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland die Zentrale Behörde, bei der ein Antrag aus einem anderen Vertragsstaat des Europäischen Übereinkommens eingeht, es ablehnen kann, tätig zu werden, solange Mitteilungen oder beizufügende Schriftstücke nicht in deutscher Sprache abgefasst oder von einer Übersetzung in dieser Sprache begleitet sind.

 

Rz. 467

Sorgerechtsentscheidungen, die in einem Vertragsstaat ergangen sind, werden in jedem anderen Vertragsstaat gem. Art. 7 LSÜ anerkannt und, wenn sie im Ursprungsstaat vollstreckbar sind, auch für vollstreckbar erklärt.

 

Rz. 468

Im Falle eines unzulässigen...

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