Rz. 26

Unter Verbraucherschutzaspekten ist ein Widerruf der auf Abschluss des Kaufvertrages über einem Neuwagen gerichteten Willenserklärung ausnahmsweise auf Grundlage der Vorschriften über Fernabsatzverträge gem. §§ 312b ff. BGB, Verbraucherdarlehen gem. §§ 491 ff. BGB und Haustürgeschäfte in § 312 BGB möglich. Die Vorschriften korrespondieren mit denen der §§ 355 ff. BGB, welche übergreifend die Ausübung und die Rechtsfolgen des Widerrufs regeln. Voraussetzung für die Anwendung der einschlägigen Vorschriften ist stets die Beteiligung eines Unternehmers i.S.d. § 14 BGB als Verkäufer bzw. Darlehensgeber und eines Verbrauchers i.S.d. § 13 BGB als Käufer bzw. Darlehensnehmer am Kauf- bzw. Darlehensvertrag. Der Begriff des Unternehmers i.S.d. § 14 BGB birgt im Bereich des Neuwagenkaufs keine nennenswerten Probleme. Unter den Begriff des Verbrauchers i.S.d. § 13 BGB fallen auch Unternehmer bei der Ausführung nicht unternehmensbezogener Geschäfte und Personenmehrheiten, wie z.B. eine GbR soweit sie nicht rechtsfähig sind, nicht also eingetragene Vereine, die als juristische Person kein Verbraucher sein können. Die unabdingbaren Vorschriften der §§ 491 ff. BGB zum Verbraucherdarlehen schützen alle natürlichen Personen (§ 13 BGB), die mit dem entgeltlichen Darlehen nach dem Inhalt des Vertrags nicht eine bereits ausgeübte gewerbliche oder selbstständige berufliche Tätigkeit fördern wollen. Dies können auch Gesellschaften bürgerlichen Rechts sein, wenn sie rein aus natürlichen Personen bestehen.[35] Eingetragene Vereine sind demgegenüber nicht verbraucherrechtsfähig. Entscheidend ist der Darlehenszweck im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Der EuGH hat klargestellt, dass sich der Begriff "Verbraucher" ausschließlich auf natürliche Personen bezieht.[36]

Auch Unternehmer, die Privatgeschäfte verfolgen, handeln als Verbraucher. In Mischfällen ist auf den überwiegenden Zweck abzustellen; bei Zweifeln ist dieser aus dem Vertragsinhalt, den tatsächlichen Umständen sowie ggf. durch Auslegung gem. § 157 BGB zu ermitteln.[37] Die Beweislast für die Verbrauchereigenschaft trägt der Darlehensnehmer.[38] Der Anwendungsbereich der Vorschriften ist – ebenso wie der des Verbraucherdarlehens – auf natürliche Personen, die zu privaten Zwecken den Vertrag schließen (gem. § 13 BGB), begrenzt. Darunter fallen auch Personenmehrheiten wie Eheleute, die gemeinsam ein neues Auto bestellen,[39] und auch Dritte, die sich hinsichtlich der Kaufvertragserfüllung verpflichtet haben, z.B. durch Gesamtschuldnerschaft oder Schuldbeitritt. Auch der Bürge, der sich im Rahmen eines Haustürgeschäfts hinsichtlich der Kaufpreisschuld verpflichtet, hat ein Widerrufsrecht, wenn die kaufvertragliche Hauptschuld ebenfalls als Haustürgeschäft zustande kam.

 

Rz. 27

Dem privaten Käufer muss ein Verkäufer gegenüberstehen, der geschäftsmäßig, in ­Ausübung seiner gewerblichen oder selbstständigen Tätigkeit als Unternehmer handelt (§ 14 BGB).[40]

[36] MüKo/Teigelack, Straßenverkehrsrecht, § 474 Rn 10.
[37] OLG Hamm WM 2001, 2339; Palandt/Weidenkaff, § 491 Rn 5.
[38] Bülow, NJW 1998, 3454.
[39] Henssler/Graf von Westphalen, § 312 Rn 5.
[40] Palandt/Grüneberg, § 312 Rn 4.

I. Fernabsatzvertrag

 

Rz. 28

§ 312c BGB definiert Fernabsatzverträge als Verträge über die Lieferung von Waren und Erbringung von Dienstleistungen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, die ausschließlich allein unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (§ 312b Abs. 2 BGB) abgeschlossen werden, wobei der Vertragsschluss im Rahmen eines dafür organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems zu erfolgen hat.[41] Fernkommunikationsmittel sind insbesondere Kataloge, Telefon und Telefax, E-Mails, SMS-Nachrichten, Teleshopping und vor allem das Internet. Sie ermöglichen eine Kommunikation ohne körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien.[42] Eine Besonderheit liegt vor, wenn im Stadium der Anbahnung des Vertrags vereinzelte persönliche Kontakte zwischen Käufer und Verkäufer oder Vertretern vorgelegen haben.[43] Die Anwendung des § 312c BGB ist daher ausgeschlossen, wenn während der Kontakte im Anbahnungsverhältnis der Käufer sich über jedweden Umstand, welcher den Vertragsschluss beeinflussen könnte, informiert hat und dann zeitnah der Vertrag im Zusammenhang mit diesen persönlichen Kontakten zustande gekommen ist. So etwa, wenn alle erforderlichen Umstände während dieser Verhandlungen mit persönlichem Kontakt erläutert worden sind, sich der Käufer jedoch noch Bedenkzeit auserbeten hat und dann innerhalb kürzester Frist per Fernkommunikationsmittel eine Bestellung aufgibt.[44] Diese Unsichtbarkeit von Vertragspartner und Produkt und die erschwerte Erfassung von nicht verkörperten Informationen begründen eine besondere Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers. Dem soll durch ein Widerrufsrecht des Verbrauchers und der Informationspflichten des Unternehmers begegnet werden.[45] Dementsprechend schließt nach zutreffender Ansicht jeder persönliche Kontakt der Vertragsparteien in der Phase der Vertragsan...

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