Rz. 38

Vertritt der Anwalt mehrere an einem Unfall beteiligte Mandanten, ist von Anfang an der Frage, ob eine widerstreitende Interessenlage entstehen kann, größte Aufmerksamkeit zu widmen.

 

Rz. 39

Beispielsweise kann bei der gleichzeitigen Vertretung von Fahrer und verletztem Insassen spätestens dann eine Pflichtenkollision entstehen, wenn der Unfallgegner - wenn auch im Endergebnis völlig ungerechtfertigt - eine Mithaftung des Fahrers behauptet.

 

Rz. 40

Da seit dem Inkrafttreten des 2. Schadensrechtsänderungsgesetzes der Beifahrer gegen seinen Fahrer auch ohne Nachweis eines Verschuldens Ansprüche hat, droht bei der Übernahme des Mandates für beide eine solche Pflichtenkollision sogar von Anfang an; abgesehen von der extrem seltenen Ausnahme der höheren Gewalt, haftet der Fahrer neben dem Unfallschuldigen dem Beifahrer nämlich als Gesamtschuldner.

 

Rz. 41

 

Tipp

Dennoch wird indessen in eindeutigen Haftungsfällen nicht von widerstreitenden Interessen zwischen Fahrer und Beifahrer ausgegangen werden können. Ein solches interessengegensätzliches Handeln ist jedoch im § 356 StGB vorausgesetzt (OLG Düsseldorf DAR 2003, 83).

Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Mandate von Anfang an auf Ansprüche gegen Dritte beschränkt worden sind. Dann kann kein Interessengegensatz entstehen und eine solche Beschränkung ist zulässig, da im Zivilrecht die Parteien ihr Interesse selbst bestimmen können.[7] In diesem Sinne haben auch die meisten Kammern bei einer im Jahre 2004 durchgeführten Umfrage votiert.[8]

 

Rz. 42

Die Brisanz der Frage wird besonders im Falle der Vertretung von Ehepartnern, Freunden oder Arbeitskollegen häufig verkannt, denn die Pflichtwidrigkeit der anwaltschaftlichen Tätigkeit ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass der erste Mandant sich mit der Vertretung des anderen einverstanden erklärt hat (BGHSt 18, 192; OLG Zweibrücken NStZ 1995, 35), und zwar unabhängig davon, ob das erste Mandat beendet war oder nicht (RGSt 66, 104).

 

Rz. 43

Im Strafverfahren sind der Beschuldigte und der durch die Tat Verletzte Parteien (BGHSt 5, 285), so dass bei der Vertretung von Fahrer und verletztem Beifahrer diese Grundsätze auch im Falle der Nebenklage zu beachten sind. Widerstreitende Interessen können auch bei der Nebenklagevertretung von Fahrer und Beifahrer spätestens dann entstehen, wenn der Unfallgegner eine Mithaftung des Fahrers einwendet.

 

Rz. 44

Schließlich kann Parteiverrat vorliegen, wenn der Anwalt den Unfallfahrer verteidigt und - gleich, ob zur selben Zeit oder danach - die Interessen eines Unfallgeschädigten vertritt, auch wenn dies mit dem Einverständnis der Beteiligten geschieht. Daran ändert nichts, dass die Ansprüche nur gegen den hinter dem Fahrer stehenden Haftpflichtversicherer gerichtet werden (BayObLG NJW 1995, 606; OLG Saarbrücken zfs 2015, 509). Problematisch kann schließlich bereits die Beschaffung eines Aktenauszuges für die gegnerische Versicherung sein.[9]

[7] van Bühren, zfs 2014, 189 ff.
[8] Siehe auch van Bühren, SpV 2004, 58 ff.; ders., zfs 2014, 189 ff. Zu den berufsrechtlichen Fragen siehe Henssler, AnwBl. 2013, 668 ff.
[9] Siehe Schulz, zfs 2016, 604.

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