Rz. 11

Ein weiteres Ziel der Kanzleiorganisation ist die Wirtschaftlichkeit der Arbeitsweise. Auch wenn der Rechtsanwalt nach der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) in erster Linie ein unabhängiges Organ der Rechtspflege ist, ändert dies nichts daran, dass die Rechtsanwaltskanzlei ein Wirtschaftsunternehmen ist, das sich wie andere Wirtschaftsunternehmen Wettbewerbern stellen muss und dies nur mit Erfolg kann, wenn die geforderten Arbeitsleistungen mit dem geringsten möglichen Aufwand erreicht werden. Dies gilt heute in immer stärkerem Maße. Zum einen gab es nie zuvor so viele Rechtsanwälte, die auf dem Markt um Mandate gekämpft haben. Die Zahl der Rechtsanwälte ist in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen. Die Zahl der zugelassenen Rechtsanwälte lag im Januar 2016 bei 164.864 im Bundesgebiet (Quelle: www.brak.de unter Statistiken). Daneben wird über kurz oder lang auch die europäische Einigung zu einem Anstieg der Zahlen führen, da auch Rechtsanwälte aus dem EU-Ausland ihre Tätigkeiten zunehmend in Deutschland entfalten. Mandate mit hohen Streitwerten, die besonders in den Bereichen des Wirtschaftsrechts vorkommen, werden vornehmlich von großen Kanzleien, die oft auch international tätig sind, bearbeitet. Ein weiterer Aspekt ist die zunehmende Spezialisierung der Anwälte, die aufgrund der sich immer schneller ändernden Gesetze notwendig und berechtigt ist, so dass der einzelne "Wald- und Wiesenanwalt", der sog. Generalist, es immer schwerer hat, erfolgreich zu werden oder zu bleiben. Die Notwendigkeit der Spezialisierung ergibt sich auch daraus, dass heutzutage bereits viele Mandanten wichtige Informationen aus dem Internet beziehen und so bereits vorinformiert beim Anwalt auftauchen. Kennt sich der Anwalt in einem bestimmten Fachgebiet nicht bis ins Detail sofort aus, fällt das dem informierten Mandanten heute schneller auf als früher.

 

Rz. 12

Kaum eine Rolle auf dem umkämpften Rechtsmarkt spielt heute noch die bis zum Jahr 2000 bzw. 2007 vorherrschende eingeschränkte Verhandlungsfähigkeit der Anwälte (Postulationsfähigkeit). Denn heutzutage darf jeder Rechtsanwalt in Deutschland unabhängig von seinen Berufsjahren oder etwaigen Sonderanträgen bei jedem Amts-, Land- und Oberlandesgericht in Deutschland auftreten. Auch ist die Vertretung bei fast allen Bundesgerichten ohne Spezialzulassung möglich, wie z.B. die Vertretung vor dem Bundesverfassungsgericht, Bundesarbeitsgericht, Bundessozialgericht oder Bundesverwaltungsgericht. Allein für den Bundesgerichtshof gibt es noch die Zulassungsbeschränkung in Zivilsachen. Hier dürfen ein Anwalt bzw. eine Anwältin nur auftreten und verhandeln, wenn er/sie über eine spezielle BGH-Zulassung verfügt. In Strafsachen darf vor dem BGH aber auch wieder jeder in Deutschland zugelassene Rechtsanwalt auftreten.

 

Rz. 13

Der Markt der Mandate ist heutzutage aufgrund der Anzahl und Spezialisierung der Anwälte hart umkämpft. Sicherlich sind auch weitere Faktoren hierfür verantwortlich, die nicht alle im Einzelnen aufgezählt werden können. Für jede Kanzlei ist es jedoch wichtig, Ziele festzulegen und die Abläufe in der Kanzlei unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten immer wieder mit den gesteckten Zielen abzugleichen. Was wollten wir erreichen? Wie können wir unsere Ziele erreichen? Wo stehen wir heute? Welche Maßnahmen sind zu ergreifen? Die Wirtschaftlichkeit einer Kanzlei sollte im Interesse des Überlebens dieser Kanzlei eine große Rolle spielen. Soweit allerdings betriebswirtschaftlich sinnvolle Organisationswege dem Erfordernis der Sicherheit widersprechen, geht die Sicherheit in jedem Falle vor.

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