Rz. 1

Welchen tatsächlichen Wert der im Erkenntnisverfahren erstrittene Titel hat, zeigt sich erst im Rahmen der Zwangsvollstreckung. Die Zwangsvollstreckung dient der Realisierung des materiell-rechtlichen Anspruchs des Gläubigers gegen den Schuldner. Der Gläubiger kann hierbei nicht in eigener Regie vollstrecken, er muss sich immer der staatlichen Vollstreckungsorgane (Gerichtsvollzieher, Vollstreckungsgericht, Arrestgericht, Prozessgericht, Grundbuchgericht) bedienen.

 

Rz. 2

Mit Gesetzentwurf v. 27.1.1995[1] hatte der Bundesrat ein "Zweites Gesetz zur Änderung zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften" (2. Zwangsvollstreckungsnovelle) vorgelegt. Ziel der Novellierung war und ist die Realisierung für dringend erachteter Gesetzesänderungen zur Vereinfachung und Beschleunigung des Zwangsvollstreckungsrechts unter Beachtung verfassungskonformer Reformbedingungen.[2] Die Änderungen nach der Zivilprozessordnung sind am 1.1.1999 zeitgleich mit der InsO in Kraft getreten. Eine Statistik über die Auswirkungen im Bereich der Forderungspfändung gibt es nicht.

 

Rz. 3

Mit der Reform des Kontopfändungsschutzes[3] wurde erstmalig ein sog. Pfändungsschutzkonto ("P-Konto") eingeführt. Das Gesetz ist am 1.7.2010 in Kraft getreten. Als Schwerpunkt der Reform ist der automatische Pfändungsschutz zu bezeichnen. Auf diesem Konto erhält ein Schuldner für sein Guthaben einen automatischen Basispfändungsschutz in Höhe seines Pfändungsfreibetrages. Dabei kommt es nicht darauf an, aus welchen Einkünften dieses Guthaben herrührt, also beispielsweise ist nicht nur das Guthaben aus Arbeitseinkommen geschützt; dies ist ausdrücklich so gewollt. Auch Selbstständige genießen damit Pfändungsschutz für ihr Kontoguthaben. Jeder Kunde kann von seiner Bank oder Sparkasse verlangen, dass sein Girokonto als P-Konto geführt wird. Mit dieser Reform ist die Zahl der Pfändungen in Konten deutlich gesunken.

 

Rz. 4

Zum 1.12.2021 sind die Änderungen aufgrund des Gesetzes zur Fortentwicklung des Rechts des Pfändungsschutzkontos und zur Änderung von Vorschriften des Pfändungsschutzes (Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetz – PKoFoG[4]) in Kraft getreten. Die Evaluierung hat in dem im Jahr 2016 vorgelegten Schlussbericht ergeben, dass das P-Konto sich seit seiner Einführung in der Praxis bewährt hat, aber noch in einzelnen Bereichen Verbesserungsbedarf besteht. Darüber hinaus werden weitere vollstreckungsrechtliche Fragen aufgegriffen, die vom Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages und aus der vollstreckungsrechtlichen Praxis an die Bundesregierung herangetragen worden sind. Dies betrifft den Zeitraum für die Anpassung der Pfändungsfreigrenzen (jährlich zum 1.7.), den Pfändungsschutz von Gegenständen, die zur Religionsausübung bestimmt sind (§ 811 Abs. 1 Nr. 10, 10a ZPO), sowie den Vollstreckungsschutz für Sachen, die der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen (§ 882a ZPO). Die Neuregelung hat eine Neustrukturierung der Vorschriften zum Kontopfändungsschutz in der ZPO zur Folge, wobei zugleich die Begrifflichkeiten aktualisiert wurden: So wird statt des bislang verwandten Begriffs "Girokonto" nunmehr der Begriff "Zahlungskonto" und für die Bezeichnung "Kreditinstitut" die Bezeichnung "Zahlungsinstitut" verwandt. Die Wirkungen des Pfändungsschutzkontos sind in einem eigenen Abschnitt des 8. Buches der ZPO geregelt (§§ 899 ff. ZPO). Aufgenommen wurden ferner Vorschriften für die Pfändung eines Gemeinschaftskontos und für den Kontenwechsel (§ 850l und § 850k ZPO). Zudem wird der Pfändungsschutz bei debitorischen Konten verbessert (§ 901 ZPO). Ferner wird dem Schuldner der Zugang zu Nachweisen zur Erhöhung des Grundfreibetrags erleichtert. Außerdem werden für die Fälle, in denen die Vollstreckungsgerichte oder die Vollstreckungsstellen öffentlicher Gläubiger bei der Sicherstellung des Kontopfändungsschutzes mitwirken müssen, Klarstellungen getroffen.

 

Rz. 5

Zur Vereinfachung und Vereinheitlichung und damit wesentlich für die Forderungspfändung ist auch die Einführung des Vordruckzwangs gewesen. Allerdings ist der Inhalt der zwingend zu nutzenden Formulare aufgrund der Verordnung über Formulare für die Zwangsvollstreckung (Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung – ZVFV) vom 23.8.2012,[5] geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 16.6.2014[6] nicht immer eindeutig. Auf der Grundlage von § 758a Abs. 6 und § 829 Abs. 4 ZPO hat das BMJ Formulare für den Antrag auf Erlass einer richterlichen Durchsuchungsanordnung und Formulare für den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses eingeführt. Diese Formulare wurden ab dem 1.3.2013 verbindlich. Allerdings war und ist weiterhin nicht unbestritten, ob der Formzwang nur für den Antrag selbst gilt (§ 2 ZVFV: "Für den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses [...] werden folgende Formulare eingeführt [...]") oder auch für das gesamte Formular, einschließlich des gerichtlichen Beschlusses (§ 3 ZVFV: "Vom 1.3.2013 an sind die [...] Formulare verbindlich zu nutzen."). Richtig sein ...

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