Rz. 34

Befindet sich der Schuldner im Insolvenzverfahren, regelt § 36 Abs. 4 InsO eine abweichende Zuständigkeit des Insolvenzgerichts. Nach § 36 Abs. 1 S. 2 InsO gelten die §§ 850, 850a, 850c, 850e, 850f Abs. 1, §§ 850g-850l, 851c, 851d, 899904, 905 S. 1 und 3 sowie § 906 Abs. 24 ZPO entsprechend. Dies bedeutet, dass für Entscheidungen, ob ein Gegenstand nach den zuvor genannten Vorschriften der Insolvenzbeschlagnahme unterliegt, das Insolvenzgericht sachlich und örtlich zuständig ist.[48] Dies gilt auch schon im Insolvenzeröffnungsverfahren. Das Insolvenzgericht ist auch – im Rahmen eines entsprechenden Sachzusammenhangs – für einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 765a ZPO zuständig.[49]

 

Rz. 35

Sind im Rahmen der Pfändung des Arbeitseinkommens oder gleichgestellter Einkünfte Anträge eines Gläubigers erforderlich, so bestimmt § 36 Abs. 4 S. 3 InsO, dass der (vorläufige) Insolvenzverwalter anstelle des Gläubigers antragsberechtigt ist. Dies gilt für Zusatzanträge nach § 850c Abs. 6 ZPO (Nichtberücksichtigung eines Unterhaltsberechtigten), § 850e Nr. 2, 2a, 4 ZPO (Zusammenrechnung und Verrechnung), § 850g ZPO (Änderungsantrag). Dagegen bleibt es bei dem Antragsrecht des Schuldners bei für ihn günstigen Einschränkungen der Pfändbarkeit nach § 850f Abs. 1 ZPO (Erhöhung des Pfändungsfreibetrages), § 850g ZPO (Änderungsantrag) und § 850i ZPO (Sonstiger Pfändungsschutz).

 

Rz. 36

Das Vollstreckungsgericht ist auch für die Entscheidung über einen Rechtsbehelf (z.B. § 766 ZPO) zuständig.

Zu beachten ist jedoch die Regelung in § 89 Abs. 3 InsO. Nach dieser Vorschrift entscheidet über Einwendungen, die aufgrund der Abs. 1 oder 2 des § 89 InsO (Verbot der Zwangsvollstreckung nach der Insolvenzeröffnung) gegen die Zulässigkeit einer Zwangsvollstreckung erhoben werden, das Insolvenzgericht. Das Gericht kann vor einer Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen, insbes. die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung einstweilen einstellen oder nur gegen Sicherheitsleistung fortsetzen. Werden die Vollstreckungsverbote aus § 89 Abs. 1, 2 InsO im Einzelfall nicht beachtet, ist für die Entscheidung zur Aufhebung oder Einstellung der angeordneten Vollstreckungsmaßnahme nicht mehr das Vollstreckungsgericht, sondern das Insolvenzgericht zuständig.[50] Wird gegen eine vom Vollstreckungsgericht erlassene Vollstreckungsmaßnahme, z.B. ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, vom Schuldner bzw. Insolvenzverwalter Erinnerung nach § 766 Abs. 1 ZPO erhoben, ist die Entscheidung weiterhin dem Richter vorbehalten (§ 20 Nr. 17 RPflG), allerdings aufgrund der Sonderregelung des § 89 Abs. 3 InsO, dem Richter des Insolvenzgerichts. Unbestritten gilt aber auch für ein Verfahren nach § 766 Abs. 1 ZPO die Prüfung der Abhilfe nach § 572 Abs. 1 ZPO (… Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie ihr abzuhelfen; andernfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen...). Da die Vollstreckungsmaßnahme vom Rechtspfleger des Vollstreckungsgerichts erlassen wurde, kann auch nur er die Abhilfe prüfen und die Abhilfeentscheidung treffen.[51] Dies wird nicht nur anders gesehen, sondern neuerdings argumentiert, dass die Zuständigkeit des Rechtspflegers des Insolvenzgerichts durch Beschluss gem. § 7 RPflG bindend klargestellt werden kann.[52] Weigert sich der Rechtspfleger des Insolvenzgerichts, kann die Entscheidung über eine Erinnerung nach § 766 Abs. 1 ZPO auch ohne vorherige Abhilfeentscheidung erfolgen.[53] Das Problem liegt im Wortlaut von § 89 Abs. 3 S. 1 InsO. Die Zuständigkeit auf das Insolvenzgericht wechselt nur dann, wenn Einwendungen i.S.v. § 89 Abs. 1 oder 2 InsO gegen die Zulässigkeit einer Zwangsvollstreckung erhoben werden. Auch spricht das Gesetz nur von der (End)Entscheidung, nicht von der Prüfung und der Entscheidung der Abhilfemöglichkeit, diese ist in § 572 Abs. 1 ZPO begründet. Nimmt man den Gesetzestext wörtlich, kommen beide Zuständigkeiten nebeneinander in Betracht. Deshalb hat zunächst der Rechtspfleger des Vollstreckungsgerichts über die Abhilfe zu befinden, hierbei prüft er die gesamten Vollstreckungsvoraussetzungen nochmals; bei Nichtabhilfe legt er die Sache bei Einwendungen insolvenzrechtlicher Art dem Insolvenzgericht (Richter; § 20 Nr. 17 ZPO), sonst dem Vollstreckungsrichter vor. Das Insolvenzgericht gibt die Sache, wenn es keinen Verstoß insolvenzrechtlicher Art feststellt, dem Vollstreckungsrichter zur weiteren Prüfung und Entscheidung zurück. Ob dies so gewollt ist, muss allerdings bezweifelt werden. Entscheidend ist die Frage, ob die Abhilfeprüfung mit Blick auf § 89 Abs. 3 InsO der Rechtspfleger beim Insolvenzgericht anstelle des Rechtspflegers beim Vollstreckungsgericht zu treffen hat. Es ist aber völlig unbestritten,[54] dass die Abhilfebefugnis nur durch den erstinstanzlich zuständigen Endscheider erfolgt. Die Einführung der generellen Abhilfebefugnis dient der Selbstkontrolle des erstinstanzlichen Ge...

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