Rz. 108

Die Bundesregierung hat seit Ausbruch der Covid-19 Pandemie zahlreiche finanzielle Hilfen zur Verfügung gestellt. Wiederholt wurde hierbei vergessen, die Frage der Übertragbarkeit und damit Pfändbarkeit zu regeln. Da es sich hierbei oftmals um Einzelzahlungen handelte, ist die Rechtsprechung hierzu bereits überholt.

 

Rz. 109

Beispiele:

Bei der Corona-Soforthilfe handelt es sich aufgrund ihrer Zweckbindung um eine nach § 851 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 399 Alt. 1 BGB regelmäßig nicht pfändbare Forderung.[213]

Bei der Corona-Soforthilfe (Bundesprogramm "Corona-Soforthilfen für Kleinstunternehmen und Selbständige" und ergänzendes Landesprogramm "NRW-Soforthilfe 2020") handelt es sich aufgrund ihrer Zweckbindung um eine nach § 851 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 399 Alt. 1 BGB regelmäßig nicht pfändbare Forderung.[214]

 

Rz. 110

Geht die Zahlung auf dem Konto des Schuldners ein, ist die Zweckbindung nicht mehr ohne Weiteres erkennbar. Einige Gerichte entschieden daraufhin, dass mangels einer Anpassung der Freibeträge für ein Pfändungsschutzkonto nach § 850k Abs. 4 ZPO (a.F. gültig bis zum Ablauf des 30.11.2021 aufgrund des Pfändungsschutzkonto-Fortentwicklungsgesetzes – PKoFo v. 22.11.2020 – BGBl I, 2466) es geboten ist, entsprechende Defizite des Instituts des Pfändungsschutzkontos über eine Anwendung von § 765a ZPO zu korrigieren.[215] Dieser Ansicht ist der BGH[216] (unter Aufhebung der Vorentscheidung des LG Bonn v. 6.8.2020) nicht gefolgt. Er sieht für die Anwendung der Schuldnerschutzvorschrift § 765a ZPO keine Veranlassung. Im Hinblick auf die Verwirklichung der mit dieser Soforthilfe verbundenen Zweckbindung ist in Höhe des bewilligten und auf einem Pfändungsschutzkonto des Schuldners gutgeschriebenen Betrags der Pfändungsfreibetrag in entsprechender Anwendung des § 850k Abs. 4 ZPO a.F. zu erhöhen. In Rn 12 seiner Entscheidung stellt der BGH ausdrücklich seine Bedenken gegen die Anwendung von § 765a ZPO dar:

Zitat

"…Es kann offenbleiben, ob – wie das Beschwerdegericht meint – zugleich die Voraussetzungen des § 765a ZPO im vorliegenden Fall erfüllt sind, wogegen angesichts der getroffenen Feststellungen Bedenken bestehen. Eine Erhöhung des Pfändungsfreibetrags hinsichtlich des auf dem Pfändungsschutzkonto der Schuldnerin gut geschriebenen Betrags …. ist in entsprechender Anwendung des § 850k Abs. 4 ZPO auszusprechen."

Die entsprechende Anwendung einer Vorschrift setzt eine Gesetzeslücke i.S.e. planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes und eine vergleichbare Interessenlage voraus. Beides ist nach Ansicht des BGH gegeben und spricht für die Anwendung von § 850k Abs. 4 (a.F.) und nicht für § 765a ZPO.

 

Rz. 111

Gleiches gilt auch für die vom Arbeitgeber an die Beschäftigten zu zahlenden steuerfreien Corona-Sonderzahlungen (bis März 2022 bis zu 1.500 EUR). Erfasst von der Regelung wurden Sonderleistungen, die die Beschäftigten nach dem 1.3.2020 erhalten. Die Frist zur Auszahlung der einmaligen Prämie wurde bis zum 31.3.2022 verlängert. Voraussetzung ist, dass die Beihilfen und Unterstützungen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet werden. Eine Entgeltumwandlung ist demnach ausgeschlossen. Die Zahlungen sind zusätzlich zum Arbeitslohn zu zahlen und in der Lohnabrechnung auszuweisen. Sie sind von der Steuer freigestellt, § 3 Nr. 11a EStG, was aber keinerlei Bedeutung für die Frage der Pfändbarkeit hat. Der Zweck der Sonderzahlung besteht darin, die besondere Arbeitsleistung des Arbeitnehmers in systemrelevanten Berufen in Krisenzeiten anzuerkennen. Während die (verpflichtende) Corona-Sonderprämie für Pflegekräfte nach § 150a Abs. 8 S. 4 SGB XI explizit nicht pfändbar ist, wurde die Unpfändbarkeit für steuerfreie Corona-Sonderzahlungen an Beschäftigte außerhalb der Pflege nicht gesetzlich verankert.[217] Eine Corona-Sonderzahlung, die der Arbeitgeber gezahlt hat, ist weder gem. §§ 850a, 850k ZPO (a.F.) bzw. § 765a ZPO noch nach § 150a Abs. 8 S. 4 SGB XI unpfändbar. Die letztgenannte Vorschrift erfasst nur solche Zahlungen, die einmalig an Beschäftigte von Pflegeeinrichtungen während der Corona-Pandemie bezahlt werden und ist somit nicht allgemein anwendbar.[218]

 

Rz. 112

Die Corona-Sonderzulage kann auch nicht gem. § 850a Nr. 3 ZPO als Erschwerniszulage gewertet werden, da diese Zahlung regelmäßig an alle Beschäftigten erfolgt, unabhängig davon, wo und unter welchen Belastungen diese tatsächlich tätig sind bzw. waren. Die Corona-Sonderzahlung des Arbeitgebers unterliegt auch nicht dem Pfändungsschutz nach § 850i Abs. 1 ZPO. Es handelt sich um eine Leistung, die der Arbeitgeber zahlen kann, aber nicht zahlen muss. Es ist eine Unterstützungsleistung des Arbeitgebers in der Coronakrise und damit kein Arbeitsentgelt. Sie erhöht einmalig den Lohn/Vergütungsanspruchs des Arbeitnehmers und ist damit Teil des Lohnanspruchs und somit abtretbar und auch pfändbar. Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11a EStG hat hierauf keinen rechtlichen Einfluss.[219] Das BAG sieht das anders: BAG v. 25.8.2022 – 8 AZR 14/22, ZInsO 2023, 323.

 

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