Rz. 145

 

Beispiel: Abwandlung

Der Gegner hat nach Ansicht des Mandanten keine ausreichende Auskunft erteilt und bittet den Rechtsanwalt R Klage einzureichen. Was hat Rechtsanwalt R zur Vermeidung einer Haftung zu beachten?

 

Rz. 146

Die häufigste Art der Verjährungshemmung ist das Einlegen einer Klage. Doch auch hier lauern einige Gefahren.

Die Hemmung beginnt mit der Klageeinreichung, wenn gem. § 167 ZPO die Zustellung demnächst erfolgt. Eine Klage ist nicht demnächst zugestellt, wenn der Kläger oder sein Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges Verhalten zu einer nicht nur ganz geringfügigen Verzögerung der Zustellung beigetragen hat, wobei leichte Fahrlässigkeit bereits ausreicht.[195] Von einer nicht ganz geringfügigen Verzögerung ist nach der Rechtsprechung[196] schon bei mehr als zwei Wochen auszugehen.

Wesentlich ist natürlich, die Frist richtig zu berechnen. Dabei regelt § 188 BGB das Ende der Frist. Fällt z.B. der letzte Tag einer gerichtlichen Frist auf einen Samstag, Sonntag oder einen gesetzlichen Feiertag (ausschlaggebend ist das Bundesland, in dem die Frist gewahrt werden muss), so endet die Frist nach § 193 BGB mit dem Ablauf des nächsten Werktags.

 

Rz. 147

Weitere Möglichkeiten der Hemmung sind z.B.:

die Einreichung eines Schriftsatzes mit dem die Streitverkündung erklärt wird, sofern die Zustellung gem. § 270 Abs. 3 ZPO demnächst erfolgt. (vgl. § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB),
die Zustellung eines Antrages für ein selbstständiges Beweisverfahren (vgl. § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB),
das Vereinfachte Begutachtungsverfahren anstelle des gerichtlichen Beweisverfahrens (vgl. § 204 Abs. 1 Nr. 8 BGB),
Antrag auf Einstweiligen Rechtsschutz (vgl. § 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB),
Anmeldung eines Anspruchs im Insolvenzverfahren (vgl. § 204 Abs. 1 Nr. 10),
Beginn eines Schiedsgerichtsverfahrens (vgl. § 204 Abs. 1 Nr. 11 BGB),
Beantragung einer gerichtlichen Zuständigkeitsbestimmung (vgl. § 204 Abs. 1 Nr. 13 BGB),
erstmaliger PKH-Antrag oder auf Verfahrenskostenhilfe (vgl. § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB).

Sofern tatsächlich durch den Rechtsanwalt oder Gegner versucht wird (sehr selten), die Verjährung durch Einreichen eines Mahnbescheides zu hemmen, ist auf folgende Haftungsfalle hinzuweisen:

 

Rz. 148

 

Hinweis: Mahnantrag als Haftungsfalle

Die Rückwirkungsfunktion gilt nicht, wenn der Mahnbescheid nicht demnächst gem. § 167 ZPO zugestellt wurde. Wenn keine zustellungsfähige Adresse (z.B. Postfach) bekannt ist, kann innerhalb eines Monats Klage erhoben werden, um den Mangel quasi zu heilen.[197]

Der Mahnbescheid ist jedoch insbesondere eine Haftungsfalle, wenn der Anspruch nicht bestimmt genug aufgeführt ist.[198] Nicht ausreichend ist die Bezeichnung im Mahnbescheid wie "Geldanspruch nach dem Todes des Otto Normalerblasser" oder einfach "Pflichtteilsanspruch". Vielmehr muss der Schuldner genau erkennen können, um welchen Pflichtteilsanspruch es sich im Einzelnen handelt. (z.B. Pflichtteilsanspruch nach dem am 18.9.2016 verstorbenen Günter Müller)

[195] St. Rspr., vgl. nur BGHZ 31, 347 = NJW 1960, 766.
[197] Hierzu ausführlich: Schneider, a.a.O., S. 178 ff.
[198] Dazu BGH NJW 1995, 2230; BGH NJW 2000, 1420; BGH NJW 2001, 305.

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