Rz. 199

Zu unterscheiden ist somit zwischen der zulässigen einstweiligen Rückgabe des Erbscheins und der eigentlichen Einziehung des Erbscheins, die nicht einstweilig angeordnet werden kann.[220] Erst mit der tatsächlichen Einziehung wird der Erbschein kraftlos, § 2361 Abs. 1 S. 2 BGB. Jedoch kann mit diesen Entscheidungen gegebenenfalls verhindert werden, dass ein Rechtserwerb wegen der fehlenden Vorlagemöglichkeit des Erbscheins unterbleibt.

Wird die Rückgabe des Erbscheins verweigert, stehen dem Nachlassgericht die Zwangsmittel der §§ 35, 87, 89, 90, 92, 94 FamFG zur Seite.[221] Das Nachlassgericht kann z.B. im Wege der einstweiligen Anordnung von Amts wegen die Sicherstellung eines Erbscheins anordnen, wenn sich objektive Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Erblasser entgegen den bisher bekannten Tatsachen möglicherweise ein erbberechtigtes Kind gehabt hat.[222]

 

Rz. 200

Befinden sich die Akten bereits beim Beschwerdegericht, weil das Amtsgericht dem Einziehungsbegehren nicht Folge geleistet hat, kann der Antrag unmittelbar auf § 49 Abs. 1 FamFG gestützt werden.

Die einstweilige Anordnung wird in der Praxis insbesondere in den Fällen der weiteren Beschwerde beim OLG einzureichen sein, wenn z.B. das Landgericht das Amtsgericht angewiesen hat, einen bestimmten Erbschein zu erteilen.

Unabhängig davon kann einstweiliger Rechtsschutz im streitigen Zivilverfahren begehrt werden.

Gegen die einstweilige Anordnung des Gerichts kann der Rechtsbehelf der Beschwerde beim iudex a quo oder dem übergeordneten Gericht eingereicht werden.

 

Rz. 201

Nach § 2362 Abs. 1 BGB kann der wirkliche Erbe vom Besitzer des unrichtigen Erbscheins dessen Herausgabe an das Nachlassgericht verlangen. Dieser Herausgabeanspruch kann wie oben ausgeführt mittels einstweiliger Verfügung gesichert werden. Auch hier gilt, dass die Wirkungen des Erbscheins erst analog § 2361 Abs. 1 S. 2 BGB entfallen, wenn nach einer Hauptsacheentscheidung, die auf einem Anspruch nach § 2362 BGB beruht, der Erbschein tatsächlich zurückgegeben wird.[223]

 

Rz. 202

Ansonsten ist der Anwendungsbereich der einstweiligen Anordnungen begrenzt. So kann z.B. wegen fehlender Unzuständigkeit des Nachlassgerichts, dieses nicht im Wege einer einstweiligen Anordnung die vorläufige Entlassung des Testamentsvollstreckers bestimmen.[224] Gleiches gilt für ein Eingreifen während laufender Amtsführung des Testamentsvollstreckers. Die Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind nicht befugt, in die Amtsführung des Testamentsvollstreckers einzugreifen. Einzelne Maßnahmen können daher dem Testamentsvollstrecker nicht durch einstweilige Anordnung untersagt werden.[225] Um z.B. eine unzulässige Verfügung des Testamentsvollstreckers zu unterbinden, muss dann eine einstweilige Verfügung nach §§ 935, 940 ZPO beim zuständigen Gericht eingereicht werden.

Gemäß § 49 Abs. 1 FamFG kann zudem einem Testamentsvollstrecker im Verfahren betreffend Einziehung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses durch einstweilige Anordnung aufgegeben werden, das Testamentsvollstreckerzeugnis zwecks vorläufiger Sicherstellung zur Akte zu reichen.[226] Der Verfahrenswert der einstweiligen Anordnung in Verfahren nach FamFG kann im Einzelfall abweichend von § 62 S. 2 GNotKG auch geringer als die Hälfte des Wertes der Hauptsache festgesetzt werden.[227]

[220] BayObLG 62, 299 ff.
[221] MüKo/J. Mayer, § 2361 Rn 37.
[222] OLG Saarbrücken, Beschl. v. 7. 11.2011 - 5 W 239/11 = NJW-RR 2012, 588.
[223] MüKo/J. Mayer, § 2362 Rn 10 f.
[224] Dazu OLG Köln NJW-RR 1987, 71.
[225] OLG Karlsruhe ZEV 2013, 205. Dazu ausführlich auch: Mayer, ZEV 2013, 469.
[227] Ebenda.

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