Rz. 910

Kindergeld und Kinder- und Betreuungsfreibetrag können nicht zusammen, sondern nur alternativ in Anspruch genommen werden.

 

Rz. 911

▪ Höhe des Kindergeldes

Das Kindergeld (§ 66 Abs. 1 EStG) beträgt seit dem 1.1.2023 monatlich für jedes Kind 250 EUR.

 

Rz. 912

▪ Günstigerprüfung von Amts wegen

Das Finanzamt prüft im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer, ob der Freibetrag und der Betreuungsfreibetrag günstiger sind als das für das Kalenderjahr gezahlte Kindergeld. Dies ist die sog. Günstigerprüfung. Von Amts wegen wird also die günstigere Lösung für den Steuerpflichtigen berücksichtigt.

 

Rz. 913

▪ Rechtsfolge

Werden der Kinderfreibetrag und der Betreuungsfreibetrag abgezogen, wird das erhaltene Kindergeld mit der Steuerermäßigung verrechnet, indem die tarifliche Einkommensteuer um den entsprechenden Betrag erhöht wird (§ 2 Abs. 6 S. 3 EStG).

Der Kinderfreibetrag wirkt sich nach wie vor auf die Höhe des Solidaritätszuschlags und der Kirchensteuer aus.

 

Beispiel

Die Eheleute M und F haben 2013 ein zu versteuerndes Einkommen ohne Freibeträge für Kinder in Höhe von 65.000 EUR bezogen. Für die minderjährige Tochter T haben sie 2.208 EUR Kindergeld erhalten.

Die Einkommensteuer lt. Splittingtabelle beträgt 12.808 EUR

Lösung

 
Zu versteuerndes Einkommen 65.000 EUR
– Kinderfreibetrag – 4.368 EUR
– Freibetrag für Betreuungs- und  
Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf – 2.640 EUR
Zu versteuerndes Einkommen (neu) 57.992 EUR
hierauf Einkommensteuer – 10.574 EUR
Differenz zwischen 12.808 EUR und 10.574 EUR 2.234 EUR

Da die Freibeträge eine um 26 EUR höhere steuerliche Entlastung bewirken (2.234 EUR) als das Kindergeld (2.208 EUR), werden sie von Amts wegen bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens abgezogen und das Kindergeld wird der Einkommensteuer hinzugerechnet (§ 31 S. 4 EStG).

 

Rz. 914

 

Praxistipp

Damit der Arbeitgeber die Abzugsbeträge richtig berechnen kann, werden auf der elektronischen Lohnsteuerkarte die Zahl der Kinder und der jeweilige Kinderfreibetrag bescheinigt.

Für ein im Praktikum befindliches Kind besteht nur dann ein Anspruch auf Kindergeld, wenn das Praktikum Teil einer Berufsausbildung ist. Dies ist nicht der Fall, wenn nicht nachgewiesen ist, dass die während des Praktikums ausgeübten konkreten Tätigkeiten in erster Linie Ausbildungscharakter haben. Es ist daher darzulegen, welche Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen konkret vermittelt werden bzw. worden sind. Der erforderliche Nachweis wird nicht geführt, wenn sich eine ausgestellte Bescheinigung auf eine Aufzählung von Ausbildungsinhalten beschränkt, ohne zu erläutern, wann diese vermittelt worden sind.

Eine Behinderung muss nach den gesamten Umständen des Einzelfalls für die fehlende Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt ursächlich sein. Der Nachweis, dass ein volljähriges Kind i.S.v. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten, ist nicht geführt, wenn ausweislich einer fachärztlichen Bescheinigung der Grad der Behinderung "50–80 %" beträgt.[720]

Nach dem BFH[721] ist ein Masterstudium jedenfalls dann Teil einer einheitlichen Erstausbildung, wenn es zeitlich und inhaltlich auf den vorangegangenen Bachelorstudiengang abgestimmt ist (sog. konsekutives Masterstudium). Daher besteht auch nach Abschluss eines Bachelorstudienganges ein Anspruch auf Kindergeld.

 

Rz. 915

 

Hinweis: Anrechnung von Kindergeldansprüchen zwischen zwei EU-Staaten

Ausländische Familienleistungen, die mit dem Kindergeld im Inland vergleichbar sind, sind auf das in Deutschland gezahlte Kindergeld anzurechnen. Die Mitteilung einer ausländischen Behörde über die Gewährung vergleichbarer Leistungen hat Bindungswirkung für die Familienkasse.

Nach dem Urteil des BFH v. 25.7.2019[722] sind z.B. Familienleistungen, die nach dem polnischen Gesetz über staatliche Beihilfen zur Kindererziehung vom 17.2.2016 gezahlt werden, auf das in Deutschland gezahlte Kindergeld anzurechnen. Der BFH hat mit dieser Entscheidung über eine bedeutende Grundsatzfrage für das Kindergeldrecht zu Lasten polnischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz im Inland entschieden.

[722] BFH v. 25.7.2019 – III R 34/18, www.bundesfinanzhof.de.

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