Rz. 272

Zum Verständnis der Vorstellungswelt der Bilanzierung nach HGB und EStG, auch für die unterhaltsrechtliche Würdigung, ist es geboten, die wesentlichen Prinzipien der Bilanzierung nachvollziehen zu können. Diese sind konkretisiert in den Grundsätzen Ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung (GOB) und sind vielfach normiert.

True and Fair View: Der Jahresabschluss kann in Inhalt und Aufbau seine Aufgabe nur erfüllen, wenn er ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens vermittelt. Diese Leitfunktion ist in § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB normiert.
Fortführungsgrundsatz/Going Concern Prinzip: Ansatz und Bewertung erfolgen unter der Prämisse der Fortführung des Unternehmens, § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB. Ist die Fortführungsprognose für ein bilanzierendes Unternehmen negativ, hat die Bewertung der Vermögensgegenstände grundsätzlich unter Liquidationsgesichtspunkten zu erfolgen.[145]
Vollständigkeitsgrundsatz, Grundsatz der wirtschaftlichen Zurechnung und Saldierungsverbot: Gemäß § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB sind sämtliche Vermögensgegenstände, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten sowie Aufwendungen und Erträge zu erfassen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Vollständigkeit kann nur durchbrochen werden durch Ansatzwahlrechte und Ansatzverbote. Die bilanzielle Zurechnung von Vermögensgegenständen erfolgt nach dem wirtschaftlichen Eigentum, das dem zivilrechtlichen Eigentum folgt, solange nicht im Einzelfall wirtschaftliche Gesichtspunkte eine abweichende bilanzielle Zurechnung gebieten (Leasing, Sale and Lease Back-Gestaltungen, unechtes Factoring, Treuhandverhältnis ohne Sicherungszweck). § 246 Abs. 2 HGB verbietet die Saldierung von Aktiva mit Passiva und von Aufwendungen mit Erträgen. Das hiermit zum Ausdruck gekommene Saldierungsverbot ist Bestandteil des Prinzips von Klarheit und Übersichtlichkeit von Jahresabschlüssen (§ 243 Abs. 2 HGB).
Einzelbewertungsgrundsatz verlangt, dass Vermögensgegenstände und Schulden am Abschlussstichtag in der Regel einzeln zu bewerten sind (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB, § 240 HGB).
Vereinfachte Bewertungsverfahren: Der vorgenannte Grundsatz wird durchbrochen in gesetzlichen Fällen der Bewertung bestimmter Vermögens- oder Schuldengesamtheiten wie dem Festwertverfahren nach § 240 Abs. 3 HGB, der Gruppenbewertung nach § 240 Abs. 4 HGB und den Bewertungsvereinfachungsverfahren nach § 256 HGB.[146]
Anschaffungskostenprinzip:[147] Die aufgewendeten Kosten für Anschaffung von Wirtschaftsgütern sind Grundlage der späteren Bewertung (zum Beispiel durch Abschreibungen). Der Wert kann auch bei Wertsteigerungen nicht höher sein als die historischen Anschaffungskosten. Diese stellen die Wertobergrenze dar. Werden die Güter durch das Unternehmen selbst hergestellt, wird von Herstellungskosten gesprochen (§ 255 Abs. 2 S. 1 HGB; siehe Rdn 247 ff.)
Vorsichtsprinzip: Es dient in der deutschen Rechnungslegung immer noch dem zentralen Element des institutionalisierten Gläubigerschutzes, wonach nach kaufmännischer Vorsicht zu bewerten ist. Ausprägung davon ist das Realisationsprinzip, wonach ohne Umsatz keine Gewinnrealisierung möglich ist. Demgegenüber werden nach dem Imparitätsprinzip Einzelrisiken für das Unternehmen bereits erfasst, wenn sie drohen und nicht erst wenn sie entstanden sind.
Wertaufholungsgebot: Die Vorschrift des § 253 Abs. 5 S. 1 HGB schreibt bei Wegfall der Gründe für eine außerplanmäßige Abschreibung von Vermögensgegenständen eine Zuschreibung im Umfang der zwischenzeitlich eingetretenen Werterhöhung vor.
Bilanzidentität/Bilanzkontinuität: Der Grundsatz der Bilanzidentität verlangt, dass die Werte der Abschlussposten aufeinander folgender Geschäftsjahre aneinander anschließen. Dies ist die formelle Bilanzidentität nach § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB. Die Bilanzkontinuität verlangt in aufeinanderfolgenden Jahresabschlüssen eine Darstellungsstetigkeit bei der Ausübung von Ansatz- und Bewertungswahlrechten (§ 265 Abs. 1 HGB, § 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB).
Stichtagsprinzip und Periodenabgrenzung: Die Bilanz wird auf einen Stichtag erstellt. Sie ist damit stichtagsbezogen. Wesentliches Element der Bilanzierung ist die periodengerechte Gewinnermittlung, insbesondere mit ihren Ausprägungen der Rechnungsabgrenzungsposten und den Rückstellungen.
 

Rz. 273

 
Folgende Bewertungsmaßstäbe sind bilanzrechtlich zu unterscheiden:
Handelsrecht Steuerrecht
Anschaffungskosten Anschaffungskosten
Herstellungskosten Herstellungskosten
fortgeführte AK/HK fortgeführte AK/HK
Börsen- oder Marktpreis Teilwert
beizulegender Wert  
 

Rz. 274

 

Hinweis

Die Bewertungsvorschriften geben im Einzelnen vor, welche Bewertungsmaßstäbe anzuwenden sind. Sie gelten nur für die Bewertung des Betriebsvermögens.

[145] Klein/Kuckenburg, Familienvermögensrecht, Kap. 2 Rn 1930 ff.
[146] Perleberg-Kölbel/Kuckenburg, Unternehmen, A. Rn 404 ff.
[147] Perleberg-Kölbel/Kuckenburg, Unternehmen, A. Rn 406. mit div. Beispielen.

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