Rz. 1012

In der Fallbearbeitung zeigt sich immer wieder, dass zu den verschiedenen Prinzipien nicht oder kaum vorgetragen wird. Auch die Gerichte beauftragen den Sachverständigen zwar damit, das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen zu ermitteln. Sie geben aber oft nicht vor, wie die Einkommensteuer anzurechnen ist. Teilen sie dann auf Nachfrage mit, das In-Prinzip sei zur Anwendung zu bringen, erfolgt seitens der Parteien meistens kein weiterer Vortrag. Beim In-Prinzip hat dies natürlich zur Konsequenz, dass zu den Zahlungen und Erstattungen der Einkommensteuer vorgetragen werden muss!

 

Rz. 1013

 

Hinweis

Die Einkommensteuerzahlungen und -erstattungen müssen nicht zwingend über betriebliche Konten geflossen sein. Der Beteiligtenvertreter muss deshalb sicherstellen, dass alle Einkommensteuerzahlungen bzw. -erstattungen erfasst sind. Möglicherweise sind Steuerzahlungen oder -erstattungen von oder auf Privatkonten erfolgt!

Zur Beurteilung der Frage, welches Prinzip für den Mandanten günstiger ist, muss ein Kontoauszug des Finanzamtes angefordert werden (Bestandteil des Auskunfts- und Beleganspruchs).

 

Rz. 1014

Wenn vorgetragen wird, die Vorauszahlungen ergäben sich aus dem Einkommensteuerbescheid, so ist dieses unrichtig.

Der Einkommensteuerbescheid folgt dem strengen "Für-Prinzip", d.h. der relevanten Steuer für den jeweiligen Veranlagungszeitraum.

 

Rz. 1015

 

Hinweis

Der häufige Einwand, dass der Bescheid doch die Vorauszahlungen einer Periode ausweise, ist falsch. Der Steuerbescheid weist die Vorauszahlungen für einen Veranlagungszeitraum aus, wann diese auch immer entrichtet sein mögen. Sie können aus gänzlich anderen Veranlagungszeiträumen und sogar aus anderen Steuerarten durch Verrechnung des Finanzamtes, z.B. aus der Kfz-Steuer, stammen.

Die Vorauszahlungen im Einkommensteuerbescheid sind also keine abschließend aussagekräftigen Positionen dafür, welche Einkommensteuervorauszahlungen in einem bestimmten Kalenderjahr bei Anwendung des In-Prinzips zu berücksichtigen sind.

 

Rz. 1016

▪ Resümee

Aus diesen Gründen ist das In-Prinzip abzulehnen, besonders bei bilanzierenden Unternehmen. Hauptziel der Bilanzierung ist nämlich die periodengerechte Gewinnermittlung.

Diesem handelsrechtlichen Grundsatz folgt auch das Steuerrecht in der Veranlagung, wobei sich das Familienrecht nach dem Willen des Gesetzgebers, z.B. beim Kindesunterhalt, immer mehr dem Steuerrecht und damit auch dem Bilanzsteuerrecht annähert. Das Prinzip der periodengerechten Gewinnermittlung wird bei Anwendung des "In-Prinzips" beim bilanzierenden Unternehmen durchbrochen.

Die fiktive Steuerberechnung kann sinnvollerweise nur auf eine dem "Für-Prinzip" folgende tatsächliche Veranlagung "aufgesattelt" werden. Die überkommene höchstrichterliche Rechtsprechung durchbricht damit ihr eigenes Prinzip.[819]

 

Rz. 1017

Aufgrund der Unternehmensteuerreform 2008 stellen nach § 4 Abs. 5b EStG die Gewerbesteuer und die darauf entfallenden Nebenleistungen keine Betriebsausgaben mehr dar. Die Gewerbesteuer mindert den betrieblichen, nicht aber den steuerlichen Gewinn. Diese Regelung gilt sowohl für Personenunternehmen als auch für Kapitalgesellschaften für die nach dem 31.12.2007 beginnenden Erhebungszeiträume. Die Reform senkte gleichzeitig die Steuermesszahl nach § 11 Abs. 2 EStG von 5 % auf 3,5 % ab und ließ den bisherigen Staffeltarif für Personenunternehmen entfallen. Unter Begrenzung auf die tatsächlich zu zahlende Gewerbesteuer wurde nach § 35 Abs. 1 EStG der Anrechnungsfaktor der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer auf 3,8 erhöht.

Der BGH hat sich zur Anrechnung der Gewerbesteuer bislang noch nicht explizit geäußert.

Das Oberlandesgericht Saarbrücken[820] ist der Ansicht, dass die Gewerbesteuer unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen sei. Es mindert daher die Unterhaltseinkünfte um die Gewerbesteuer im Rahmen der Berechnung von Trennungsunterhalt bei selbstständigen Einkünften. Auch das BVerwG[821] vertritt die Auffassung, dass die Gewerbesteuer zu den mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben im Sinne von § 93 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII gehört und hält daher eine Anrechnung nach Maßgabe der § 93 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, Satz 4 SGB VIII für möglich. Auch in der Literatur setzt sich allmählich die Ansicht durch,[822] im Unterhaltsrecht vom betrieblichen Gewinn auszugehen, da die Gewerbesteuer berufsbedingten Aufwand darstelle. Bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlichen Einkommens sei auf die im Einkommensteuerbescheid ausgewiesene Einkommensteuer abzustellen.[823]

 

Rz. 1018

Berechnung der Steuerschuld für alle Unternehmen:[824] Allgemeine Berechnungsformel

Um die aufgrund der Nichtberücksichtigung der Gewerbesteuer entstandene Erhöhung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer auszugleichen, wurde für alle Gewerbebetriebe die Gewerbesteuermesszahl von 5 % auf 3,5 % verringert.

 

Die Berechnungsformel lautet:

Gewerbesteuer = Gewerbeertrag x 3,5 % x Hebesatz

 

Rz. 1019

Die Berechnung erfolgt wie nachstehend für Einzel-/Personenunternehmen:

Der bisher für Einz...

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