Rz. 30

Mit dem Vertrag von Lissabon[17] wurde der Vertrag von Amsterdam über die europäische Union (EU Vertrag, EUV) und der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG Vertrag) reformiert; letzterer erhielt den neuen Namen "Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union" (AEU-Vertrag, AEUV). Mit dem Inkrafttreten des Lissabonner Vertrages am 1.12.2009 finden sich die Leitgedanken der justiziellen Zusammenarbeit nunmehr in Art. 67 AEUV.[18] An die Stelle von Art. 65 des Amsterdamer Vertrages ist inzwischen Art. 81 AEUV getreten, nach dem der Union noch weiter gehende Kompetenzen im Hinblick auf die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen eingeräumt wurden.[19]

 

Rz. 31

 

Art 81 AEUV lautet:

(1) Die Union entwickelt eine justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitendem Bezug, die auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher und ­außergerichtlicher Entscheidungen beruht. Diese Zusammenarbeit kann den Erlass von Maßnahmen zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten umfassen.
(2)

Für die Zwecke des Absatzes 1 erlassen das europäische Parlament und der Rat, insbesondere wenn dies für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich ist, gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Maßnahmen, die Folgendes sicherstellen sollen:

a) die gegenseitige Anerkennung und die Vollstreckung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen zwischen den Mitgliedstaaten;
b) die grenzüberschreitende Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke;
c) die Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen und Vorschriften zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten;
d) die Zusammenarbeit bei der Erhebung von Beweismitteln;
e) einen effektiven Zugang zum Recht;
f) die Beseitigung von Hindernissen für die reibungslose Abwicklung von Zivilverfahren, erforderlichenfalls durch Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden zivilrechtlichen Verfahrensvorschriften;
g) die Entwicklung von alternativen Methoden für die Beilegung von Streitigkeiten;
h) die Förderung der Weiterbildung von Richtern und Justizbediensteten
(3) Abweichend von Abs. 2 werden Maßnahmen zum Familienrecht mit grenzüberschreitendem Bezug vom Rat gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren festgelegt. Dieser beschließt einstimmig nach Anhörung des Europäischen Parlaments.

Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission einen Beschluss erlassen, durch den die Aspekte des Familienrechts mit grenzüberschreitendem Bezug bestimmt werden, die Gegenstand von Rechtsakten sein können, die gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen werden. Der Rat beschließt einstimmig nach Anhörung des Europäischen Parlaments.

Der in Unterabsatz 2 genannte Vorschlag wird den nationalen Parlamenten übermittelt. Wird dieser Vorschlag innerhalb von sechs Monaten nach der Übermittlung von einem nationalen Parlament abgelehnt, so wird der Beschluss nicht erlassen. Wird der Vorschlag nicht abgelehnt, so kann der Rat den Beschluss erlassen.

[17] Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Abdruck der konsolidierten Textfassungen im ABl 2010/C 83/01 und ABl 2010/C 84/01; seither gibt es eine einheitliche Organisation EU mit Rechtspersönlichkeit; allg. dazu s. Caliess/Ruffert/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 1 AEUV Rn 1; Grabitz/Hilf/Nettesheim/Röben, EU-Arbeitsweisevertrag, Art. 67 Rn 1.
[18] ABl EU 2010 C 83/01.
[19] Zu den Neuerungen Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2010, 1, 24; Hau, GPR 2010, 246; z.T. wird bezweifelt, ob Art. 81 AEUV (bzw. schon sein Vorläufer, nämlich Art. 65 des Amsterdamer Vertrages) eine tragfähige Grundlage für die Gesetzgebungskompetenz der EU gibt, so z.B. Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, § 3 Rn 106 b.

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