Rz. 4

Der historische Gesetzgeber hat die GbR – wie sich dies bereits aus dem Regelungsstandort der §§ 705 ff. BGB (Titel 16: Gesellschaft) im Besonderen Teil des Schuldrechts ergibt – als ein durch die Besonderheiten der Gesamthand modifiziertes vertragliches Schuldverhältnis konzipiert,[7] "dem in unvollständiger Weise das Gesamthandsprinzip, darüber gestülpt‘ wurde".[8] Die Rechtsnatur wurde letztlich jedoch offengelassen.[9]

 

Rz. 5

Die Neuregelung des GbR-Rechts vollzieht die vom BGH[10] im Jahre 2001 anerkannte Rechtsfähigkeit der GbR im Gesetz kohärent nach und beseitigt die Diskrepanzen zum bisher kodifizierten Altrecht im Interesse der Rechtssicherheit[11] – durch eine umfassende Konsolidierung des GbR-Rechts.[12]

Der BGH[13] hat in seiner Entscheidung ARGE Weißes Ross dem aus der Entstehungsgeschichte herleitbaren Meinungsstreit, ob es sich bei der GbR

lediglich um ein vertragliches Schuldverhältnis der Gesellschafter mit einem ihnen gemeinsam zugeordneten Gesamthandsvermögen handelt, oder ob die GbR
als eigenständiges, von den Gesellschaftern zu unterscheidendes Rechtssubjekt mit einem eigenen Gesellschaftsvermögen anzusehen ist,

abschließend entschieden: Die GbR kann im Rechtverkehr grundsätzlich jede Rechtsposition einnehmen und ist, soweit sie in diesem Rahmen eigene Rechte und Pflichten begründet, rechtsfähig, ohne damit juristische Person zu sein.

 

Rz. 6

Seither war in Bezug auf die Frage nach der Rechtsfähigkeit der GbR eine Differenzierung[14] danach erfolgt, ob

die Gesellschafter nach den zwischen ihnen getroffenen Vereinbarungen im Rahmen einer "Außengesellschaft" am Rechtsverkehr teilnehmen wollen, oder ob
sie sich im Rahmen einer "Innengesellschaft" auf die Ausgestaltung ihres Rechtsverhältnisses untereinander beschränken möchten.

Das mit der Anerkennung der Rechtsfähigkeit einhergehende Problem war jedoch, dass sich das Recht der GbR damit in nicht unbedenklicher Weise vom Wortlaut der §§ 705 ff. BGB (alt) entfernt hatte.[15]

 

Rz. 7

Der Gesetzgeber hat dieses Problem aufgegriffen mit dem Ziel, den durch diese Rechtsentwicklung "als gesichert anzusehenden Erkenntnisstand" um die Rechtsnatur der GbR auch im Gesetz ausdrücklich ab-(nach-)zubilden. Zugleich erfolgt eine Konsolidierung des geltenden Rechts innerhalb des bestehenden Systems unter Fortführung der grundlegenden Differenzierung zwischen kaufmännischen und nicht-kaufmännischen Personengesellschaften.[16]

[7] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 101.
[8] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 101 unter Bezugnahme auf Flume, BGB AT, Bd. I/1, S. 3 f.
[9] Während im ersten BGB-Entwurf die GbR nach römisch-rechtlichem Vorbild als ein ausschließlich vertragliches Schuldverhältnis unter den Gesellschaftern ohne eigenes, von dem ihrer Gesellschafter verschiedenen, Gesellschaftsvermögen ausgestaltet (vgl. Mot., in: Mugdan II 330) wurde, konstituierte die zweite Kommission hingegen ein Gesamthandsvermögen, ohne jedoch die daraus folgenden Konsequenzen im Einzelnen zu regeln (vgl. Prot., in: Mugdan II, S. 990): RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 101.
[11] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 101.
[12] Näher Ruppel/Haschke, Reform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und Auswirkungen auf Vertragsgestaltung, ZMGR 2022, 10; Schulteis, Das Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach dem Regierungsentwurf zum Personengesellschaftsmodernisierungsgesetz – MoPeG, GWR 2021, 112.
[14] Dazu näher MüKo-BGB/Schäfer, Vor § 705 Rn 96.
[15] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 101.
[16] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 101.

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