Rz. 104

Die ordentliche Kündigung fristet in der Rechtsprechung zum Missbrauch der Internetnutzung bzw. der E-Mail-Anlagen ein Schattendasein. Urteile, in denen ein Arbeitgeber bereits ein früheres Fehlverhalten einschlägig abgemahnt hat, um dann später eine ordentliche Kündigung auszusprechen, liegen kaum vor. In der Praxis wird entweder abgemahnt oder unmittelbar fristlos gekündigt. Das BAG hatte sich in seinen Internetentscheidungen zwar teilweise auch mit ordentlichen Kündigungen zu befassen.[132] Allerdings handelte es sich in diesen Fällen um hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigungen, denen jeweils fristlose Kündigungen vorangingen. Dies mag auch taktische Hintergründe haben, um für etwaige Abfindungsverhandlungen eine ausreichende Verhandlungsbasis zu haben. Daher sollte auch die (jedenfalls hilfsweise) ordentliche Kündigung, gerade bei einschlägiger Abmahnung, nicht vergessen werden.

1. Grundsätze

 

Rz. 105

Bei dem Missbrauch betrieblicher Kommunikationseinrichtungen handelt es sich um ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers. Kündigungsschutzrechtlich handelt es sich damit um eine verhaltensbedingte Kündigung.[133] Die verhaltensbedingte Kündigung ist von der personenbedingten Kündigung abzugrenzen, bei der auf die fehlende Eignung oder Fähigkeit zur Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung abgestellt wird. Bei der verhaltensbedingten Kündigung gilt grundsätzlich das Erfordernis der vorherigen Abmahnung, um dem Arbeitnehmer Gelegenheit zu geben, sein Fehlverhalten für die Zukunft zu bessern bzw. abzustellen.[134] (zu den Grundsätzen der Abmahnung ausführlich siehe Rdn 70 ff.). Bei der verhaltensbedingten Kündigung handelt es sich eigentlich nicht um eine Sanktion für das Fehlverhalten, sondern vielmehr ist Kündigungsgrund die negative Zukunftsprognose. Es müssen deshalb begründete Anhaltspunkte für vergleichbare Pflichtwidrigkeiten in der Zukunft vorliegen, die eine sinnvolle und vertrauensvolle Zusammenarbeit als nicht mehr gewährleistet erscheinen lassen. Liegt deshalb eine einschlägige vorherige Abmahnung nicht vor, mangelt es regelmäßig an einem Kündigungserfordernis und die Kündigung ist schon aus diesem Grunde unwirksam. In dem zuvor dargestellten Abmahnungskapitel hat sich gezeigt, dass in aller Regel nur bei Ausspruch einer vorherigen Abmahnung überhaupt gekündigt werden kann. Fälle, in denen die Abmahnung wegen erheblicher Pflichtverletzung ausnahmsweise entbehrlich ist, rechtfertigen in aller Regel unmittelbar den Ausspruch einer fristlosen Kündigung (vgl. Rdn 123 ff.).

 

Rz. 106

 

Praxishinweis

Der Ausspruch einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung kommt in Betracht, wenn eine erhebliche Pflichtverletzung im Raum steht. In diesen Fällen muss aber ernsthaft darüber nachgedacht werden, unmittelbar eine fristlose Kündigung auszusprechen und zusätzlich eine ordentliche hilfsweise Kündigung. Der Kündigende wird dabei abzuwägen haben, ob einer der Fälle vorliegt (vgl. Rdn 123 ff.), in denen ohne vorherige Abmahnung gekündigt werden kann.

[133] Dazu umfassend HB-KR/Ruge § 3 Rn 236ff.
[134] HB-KR/Ruge, § 3 Rn 245.

2. Einzelfälle

 

Rz. 107

Wie bereits ausgeführt, sind die Fälle, in denen eine ordentliche Kündigung in Betracht kommt, rar. In folgenden Konstellationen kann eine ordentliche Kündigung in Betracht gezogen werden:

a) Einschlägige Abmahnung vorhanden

 

Rz. 108

Hat der Arbeitgeber bereits das Fehlverhalten einschlägig (wirksam) abgemahnt, kann im Wiederholungsfall grundsätzlich ordentlich gekündigt werden. Allerdings ist darauf zu achten, dass die vorherige Abmahnung nicht wegen Zeitablaufs in ihrer Wirkung geschwächt ist (vgl. Rdn 81 ff.). Ein zeitlicher Zusammenhang ist deshalb unumgänglich.

b) Verbot der privaten Internetnutzung klar geregelt

 

Rz. 109

Wurde die private Internetnutzung ausdrücklich verboten, handelt es sich bei einem Verstoß gegen dieses Verbot um ein steuerbares Verhalten. Nach der Rechtsprechung ist in solchen Fällen grundsätzlich eine Abmahnung erforderlich. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Ausspruch einer vorherigen Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich ist. Dies ist nur bei erheblichem Missbrauch der Fall.[135] Zudem besteht für den Arbeitgeber stets das Einschätzungsrisiko, wann ein Fall der überzogenen Nutzung vorliegt.

 

Rz. 110

Wurde die private Nutzung ausdrücklich verboten, ist der Arbeitgeber verpflichtet, dieses Verbot auch zu kontrollieren, zumindest stichprobenartig.[136] Dem Arbeitgeber wird also abverlangt, dass er seine Verbote auch nachhält und damit zum Ausdruck bringt, dass ihm die Einhaltung des Verbotes wichtig ist.

 

Rz. 111

 

Praxishinweis

Im Regelfall kann ohne Ausspruch einer einschlägigen Abmahnung nicht unmittelbar ordentlich gekündigt werden. Nur in schweren Missbrauchsfällen ist dies anders. Dann aber sollte vorrangig der Ausspruch einer fristlosen Kündigung geprüft werden verbunden mit einer hilfsweisen ordentlichen Kündigung.

3. Verdachtskündigung

 

Rz. 112

Die Verd...

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