Rz. 299

Bei der Unfallschadensregulierung kommt eine gerichtliche Tätigkeit für mehrere Auftraggeber verhältnismäßig häufig vor. Auf der Aktivseite gibt es nicht selten mehrere Geschädigte eines Verkehrsunfalls, auf der Passivseite werden neben dem Fahrer regelmäßig auch der Haftpflichtversicherer (§ 115 VVG) und eventuell auch der vom Fahrer personenverschiedene Halter verklagt.

1. Mehrere Verfahren

 

Rz. 300

Werden die verschiedenen Ansprüche – was möglich, in der Praxis jedoch eher selten ist – in verschiedenen Verfahren geltend gemacht und diese auch nicht vom Gericht verbunden, so erhält der Anwalt für jedes Verfahren gesonderte Gebühren. Problematisch ist in diesen Fällen nicht die Entstehung der Gebühren gegenüber den einzelnen Mandanten, sondern vielmehr die Frage, ob die unterlegenen Gegner einwenden können, aus Kostengesichtspunkten hätte ein gemeinsames Verfahren mit einem gemeinsamen Prozessbevollmächtigten geführt werden müssen (siehe § 3 Rdn 81 ff.).

2. Einheitliches Verfahren

 

Rz. 301

Werden die Ansprüche in einem einheitlichen Verfahren geltend gemacht, so hängt der Gebührenanspruch des Anwalts vom Verfahrensgegenstand ab.

a) Verschiedene Gegenstände

 

Rz. 302

Bezieht sich sein Verfahrensauftrag auf verschiedene Gegenstände, so erhält der Anwalt die Gebühren nur einmal und zwar gemäß § 22 Abs. 1 RVG aus dem Gesamtwert der Gegenstände.

 

Rz. 303

 

Beispiel

Eigentümer E will nach einem Unfall seinen Sachschaden in Höhe von 12.000 EUR, Fahrer F ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.000 EUR gerichtlich geltend machen. Sie beauftragen Anwalt A, der eine gemeinsame Klage erheben soll. Dieser wird nach mündlicher Verhandlung stattgegeben.

A erhält für diesen Auftrag, der sich auf verschiedene Gegenstände bezieht, eine 1,3-Verfahrensgebühr sowie eine 1,2-Terminsgebühr nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer aus einem Gesamtwert von 19.000 EUR.

b) Derselbe Gegenstand

 

Rz. 304

Bezieht sich der Verfahrensauftrag auf denselben Gegenstand, so erhält der Anwalt die Gebühren ebenfalls nur einmal und nur aus dem Wert dieses Gegenstandes. Jedoch erhöht sich die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG für jeden weiteren Auftraggeber um 0,3. Der Höchstsatz beträgt bei mehreren Erhöhungen 2,0 (Anm. Abs. 3).

 

Rz. 305

 

Beispiel

Anwalt A wird vom Haftpflichtversicherer V mit der Vertretung in einem Verfahren beauftragt, in welchem V sowie Fahrer F und Halter H auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 10.000 EUR verklagt werden. Nach mündlicher Verhandlung wird die Klage abgewiesen.

A erhält für diesen Auftrag, der sich auf denselben Gegenstand bezog, eine 1,3-Verfahrensgebühr aus 10.000 EUR, die für zwei weitere Auftraggeber um insgesamt 0,6 erhöht wird. Neben der 1,9-Verfahrensgebühr kann er eine 1,2-Terminsgebühr sowie Auslagenpauschale und Umsatzsteuer abrechnen.

 

Rz. 306

Die erhöhte Verfahrensgebühr berechnet sich aber stets nur nach demjenigen Wert, an dem die Auftraggeber gemeinschaftlich beteiligt sind.

 

Rz. 307

 

Beispiel

E ist Eigentümer und Halter eines Fahrzeugs, das bei einem Verkehrsunfall durch G beschädigt wurde. E beauftragt Anwalt A, den Sachschaden in Höhe von 12.000 EUR einzuklagen. G erhebt Widerklage gegen E, sowie Drittwiderklage gegen den Fahrer F und den Haftpflichtversicherer V auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 7.000 EUR. Auch F und V beauftragen daraufhin A mit ihrer Vertretung im Verfahren. Nach mündlicher Verhandlung wird der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.

Der Wert beläuft sich zwar insgesamt auf 19.000 EUR. Die Beteiligung der drei Auftraggeber des A ist allerdings unterschiedlich: An einem Teilwert von 12.000 EUR ist nur E beteiligt, da weder F noch V etwas mit der Geltendmachung des Sachschadens gegen G zu tun haben. An einem Teilwert von 7.000 EUR sind alle drei Auftraggeber beteiligt, da sie alle für den Sachschaden des G haften können.

Die Gebühren des A berechnen sich entsprechend der Teilwerte[203] wie folgt:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100    
aus 12.000 EUR 865,80 EUR  
2. 1,9-Verfahrensgebühr, VV 3100, 1008    
aus 7.000 EUR 847,40 EUR  
gemäß § 15 Abs. 3 RVG max. 1,9 aus 19.000 EUR 1.463,00 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104    
aus 19.000 EUR   924,00 EUR
4. Auslagenpauschale, VV 7002   20,00 EUR
Zwischensumme 2.407,00 EUR  
5. Umsatzsteuer, VV 7008   457,33 EUR
Gesamt   2.864,33 EUR
 

Rz. 308

Nach anderer Ansicht ist in solchen Fällen aus dem Gesamtwert eine 1,3-Verfahrensgebühr zu berechnen und aus dem Wert der gemeinschaftlichen Beteiligung eine 0,6-Erhöhungsgebühr.[204] Dies ist schon deshalb unzutreffend, weil das Gesetz keine Erhöhungsgebühr kennt, sondern nur eine Erhöhung der Geschäfts- bzw. Verfahrensgebühr.

 

Rz. 309

 
Praxis-Beispiel

Die Gebühren würden sich nach dieser Meinung wie folgt berechnen:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100    
aus 19.000 EUR   1.001,00 EUR
2. 0,6-Erhöhungsgebühr, VV 1008    
aus 7.000 EUR   267,60 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104    
aus 19.000 EUR   924,00 EUR
4. Auslagenpauschale, VV 7002   20,00 EUR
Zwischensumme 2.212,60 EUR  
5. Umsatzsteuer, VV 7008   420,39 EUR
Gesamt   2.632,99 EUR
 

Rz. 310

Die Entstehung der erhöhten Verfahrensgebühr be...

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