Rz. 440

Im Gegensatz zu der zuvor in § 49a Abs. 1 FGG vorgenommenen Auflistung der familiengerichtlichen Verfahren, in denen das Jugendamt anzuhören war, fasst § 162 Abs. 1 S. 1 FamFG dies nur kurz und plastisch unter dem Begriff der Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, zusammen. Einbezogen werden damit nach neuem Recht auch Verfahren nach §§ 1628, 1629 Abs. 2 S. 3 BGB.

In Sorge- und Umgangsrechtsverfahren hat das Jugendamt eine eigene Stellung (siehe zu den jugendhilferechtlichen Aspekten § 12).[1613] Es ist nicht nur Hilfsorgan des Gerichts, sondern es leistet eine eigenverantwortliche Unterstützung bei der Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes.[1614] Dies folgt aus § 162 Abs. 2 S. 2 FamFG, wonach das Jugendamt (nur) auf seinen Antrag am Verfahren zu beteiligen ist. Das Jugendamt kann also einzelfallbezogen prüfen, ob es die formale Position eines Verfahrensbeteiligten anstrebt.[1615] Nur in Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB ist das Jugendamt Muss-Beteiligter (§ 162 Abs. 2 S. 1 FamFG n.F.). Das Jugendamt ist nach § 7 Abs. 4 FamFG von jeder Verfahrenseinleitung zu benachrichtigen und über sein Antragsrecht zu belehren. Wurde dies erstinstanzlich übersehen, sind die Benachrichtigung und die Belehrung eingangs des Beschwerdeverfahrens nachzuholen. Stellt das Jugendamt einen Antrag auf formelle Beteiligung, so hat das Gericht kein Entscheidungsermessen, sondern muss das Jugendamt förmlich beteiligen (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 FamFG). Der Antrag auf Zulassung als Beteiligter zum erstinstanzlichen Verfahren kann nur bis zum Erlass der Endentscheidung durch das erstinstanzliche Gericht gestellt werden; danach kommt nur noch die Zulassung als Beteiligter zum Beschwerdeverfahren in Betracht, über die das Beschwerdegericht zu entscheiden hat.[1616] Wird das Jugendamt erstinstanzlich als Beteiligter hinzugezogen, so besteht die Beteiligtenstellung automatisch auch im Rechtsmittelzug fort.[1617] Zweitinstanzlich ist das Jugendamt auch dann formell beteiligt, wenn es selbst Beschwerde einlegt.[1618] Streitig ist, ob dem Jugendamt, wenn es nicht am Verfahren beteiligt ist, die Schriftsätze u.a. zuzuleiten sind. Praktische Gründe und die bessere Sachaufklärung sprechen dafür; systematische und datenschutzrechtliche Bedenken greifen demgegenüber im Ergebnis nicht durch.[1619] Anzuhören ist das Jugendamt unabhängig davon in jedem Fall. Unterbleibt die Anhörung zunächst wegen Gefahr im Verzug – sehr selten, weil meistens eine telefonische Kontaktaufnahme möglich ist[1620] –, so ist sie unverzüglich nachzuholen (§ 162 Abs. 1 S. 2 FamFG). In Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, ist das Jugendamt von Terminen zu benachrichtigen und ihm sind alle Entscheidungen des Gerichts bekannt zu machen (§ 162 Abs. 3 S. 1 FamFG). Gegen den Beschluss steht dem Jugendamt die Beschwerde zu (§ 162 Abs. 3 S. 2 FamFG).

 

Rz. 441

Neben der Berichterstellung als solcher ist es Aufgabe des Jugendamts, erzieherische und soziale Gesichtspunkte der Kindesentwicklung in das Verfahren einzubringen. Das Jugendamt darf daher seine Mitwirkung nicht auf die bloße Mitteilung des Beratungsangebotes an die Eltern beschränken. Diese Tätigkeitsreduzierung käme einer Verweigerung wesentlicher Teile der dem Jugendamt im Kindesinteresse gesetzlich auferlegten Aufgaben gleich.[1621] Das Jugendamt hat auch, soweit es hierzu in der Lage ist, einen Entscheidungsvorschlag zu unterbreiten.[1622] In diesem Bericht hat das Jugendamt aufgrund seiner pädagogischen Fachkunde eine Stellungnahme zum Streitfall abzugeben (§ 50 Abs. 1 SGB VIII). Es unterrichtet gleichzeitig das Familiengericht über angebotene und erbrachte Leistungen, bringt erzieherische und soziale Gesichtspunkte zur Entwicklung des Kindes ein, weist auf weitere Möglichkeiten der Hilfe hin und informiert ggf. über den Stand des Beratungsprozesses (§ 50 Abs. 2 SGB VIII). Dies entbindet das Gericht freilich nicht von einer kritischen Prüfung des Berichts, zumal dem Vorschlag des Jugendamts nicht das Gewicht einer sachverständigen Empfehlung zukommt, wobei das Jugendamt bei dem Verdacht eines sexuellen Missbrauchs des Kindes allerdings auch nicht berechtigt ist, Ermittlungen zu veranlassen, wie sie die Staatsanwaltschaft durchführt.[1623] Zur Vorbereitung des Entscheidungsvorschlags sollte der Sachbearbeiter des Jugendamtes in der Regel bei beiden Elternteilen einen Hausbesuch machen, um sich einen persönlichen Eindruck der örtlichen Verhältnisse und Lebensumstände des Kindes zu verschaffen.[1624] Allein das Gespräch mit den Eltern im Jugendamt dürfte nicht ausreichend sein. Einer vollständigen Umsetzung dieser Vorgaben in der Praxis steht allerdings oft der Personalbestand der Jugendämter entgegen.

 

Rz. 442

Haben die Kindeseltern ihren Wohnsitz in verschiedenen Zuständigkeitsbezirken, so hat das für das Verfahren örtlich zuständige[1625] Jugendamt im Wege der Amtshilfe einen Bericht des für den anderen Elternteil zuständigen Jugendamtes einzuholen, dem Familiengericht mitzuteilen und ihn i...

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