Rz. 78

 

Beispiel

In einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs[174] wurde die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 121 ZPO) aufgrund einer Interessenkollision rückwirkend aufgehoben.

Die Alleinerbin machte als Klägerin eine Nachlassforderung gegen die Beklagte – die Witwe ihres verstorbenen Bruders – vor dem Landgericht geltend. Der Rechtsanwalt der Beklagten vertrat bereits die Kinder der Beklagten bei der Durchsetzung ihrer Pflichtteilsansprüche gegen die jetzige Klägerin. Durch den Hinweis der Klägerin auf eine Interessenkollision hob das Landgericht die Beiordnung des Rechtsanwalts auf. Das Oberlandesgericht bestätigte die Aufhebung.

Der Bundesgerichtshof musste über die erhobene Beschwerde entscheiden.

Die Aufhebung der Beiordnung war gerechtfertigt, da der Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung der Interessen der Kinder der Beklagten bei der Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen gegen die Klägerin einerseits und der Interessen der Beklagten bei der Abwehr von Nachlassforderungen anderseits gegen die Vertretung widerstreitender Interessen verstoßen hat, § 43a Abs. 4 BRAO, § 3 BORA.[175] Auf der Grundlage derselben Rechtssache hat der Rechtsanwalt die gegenläufigen Interessen der Beklagten und ihrer Kinder vertreten. Daran bestehen allein schon wegen der Klammerwirkung des vom Erbfall bestimmten Nachlasstatbestandes keine Zweifel, woraus sich die gegenläufigen Beratungspflichten gegenüber Pflichtteilsberechtigten und in Anspruch genommenem Nachlassschuldner ergeben. Das Interesse der Kinder der Beklagten ist darauf gerichtet, dass ein möglichst hoher Nachlassbestand erzielt wird, wozu auch die Geltendmachung von ungewissen Rechten gehört, § 2313 Abs. 2 S. 2 BGB.[176] Die Durchsetzung der Pflichtteilsansprüche der Kinder steht daher in einem offenen Widerspruch zur Abwehr von etwaigen Nachlassforderungen gegenüber der Beklagten, welche den Nachlassbestand zugunsten der Pflichtteilsberechtigten erhöhen würde.[177] Eine Einverständniserklärung der Beklagten und der Pflichtteilsberechtigten führt nicht zu einem Ausschluss des Interessengegensatzes.[178]

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