I. Ausgangslage

 

Rz. 16

Bei drohendem Entzug der Fahrerlaubnis ist als wichtigster Aspekt zu prüfen, ob die drohende Führerscheinmaßnahme im Rahmen der Verteidigung abgewendet werden kann, etwa durch eine Beratung, Schulung oder ein rechtzeitiges Fahreignungsseminar im Vorfeld.

 

Rz. 17

Geht es um die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis, so ist das Zeitmoment von besonderer Bedeutung. Für den Betroffenen ist es wichtig, seine Fahrerlaubnis schnellstens zurückzubekommen bzw. den Fahrerlaubnisverlust zu verhindern.

 

Rz. 18

Das Recht der Fahrerlaubnis ist bestimmt von der nachzuweisenden Eignung zum Führen von Fahrzeugen. Hier ist es Aufgabe des Rechtsanwalts, alle Möglichkeiten zu ermitteln, die Eignung darzulegen und ggf. auch zu beweisen. Dies geschieht immer am Einzelfall und ist der Individualität des Mandanten unterworfen und seiner Interessen geschuldet.

 

Rz. 19

Bei dem Vorwurf einer Verkehrsstraftat oder Ordnungswidrigkeit ist das erste Ziel, eine Verurteilung möglichst zu vermeiden oder diese möglichst niedrigschwellig ausfallen zu lassen. Im Vordergrund steht, ein Fahrverbot oder eine Sperre zu vermeiden bzw. Eintragungen im Fahreignungsregister zu verhindern. Besonders deutlich wird dies bei dem Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung. Hier ist das Anordnen eines Fahrverbots oder einer Sperre maßgeblich dafür, dass Punkte über einen langen Zeitraum eingetragen bleiben. Gerade die unterschiedliche Praxis der Staatsanwaltschaften in der Bundesrepublik führen hier aber zu einem Ungleichgewicht.[10]

[10] Der Arbeitskreis V des 50. Verkehrsgerichtstages hat daher auch folgende Empfehlung in 2012 an die Entscheidungsträger gerichtet: "Im Bereich der fahrlässigen Körperverletzung im Straßenverkehr beobachtet der Arbeitskreis mit Sorge eine unterschiedliche Einstellungspraxis bei den Staatsanwaltschaften. Die Landesjustizverwaltungen und in diesem Rahmen die Generalstaatsanwaltschaften sollten sich dieser Frage annehmen und werden aufgefordert, zur Vereinheitlichung der Praxis in Ergänzung zu Nr. 243 Abs. 3 RiStBV Richtlinien und Verwaltungsanordnungen zu erlassen." Vgl. http://www.deutscher-verkehrsgerichtstag.de/images/empfehlungen_pdf/empfehlungen_50_vgt.pdf.

II. Beratungsziele und strategische Überlegungen

1. Effiziente und konkrete Beratung

 

Rz. 20

Aus der vorstehend dargestellten Checkliste (siehe Rdn 15) ist ersichtlich, wie unterschiedlich die Problemstellung des Betroffenen zum Erhalten, Behalten oder Wiedererhalten der Fahrerlaubnis sein kann.

2. Ziel: Erhaltung und/oder (Wieder-)Erteilung der Fahrerlaubnis

 

Rz. 21

Bei zu erwartenden Problemen bei der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis ist es – entgegen häufig zu beobachtender Praxis – wichtig, schon im Strafverfahren, wenn Probleme bei der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis zu erwarten sind, diese dem Mandanten aufzuzeigen und ihm ebenso Vorschläge, durch welche konkreten Verhaltensweisen oder Maßnahmen die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis am sichersten erreicht werden kann, zu unterbreiten. Dies beginnt mit Informationen, erfasst Belehrungen zur geänderten richtigen Lebensweise und erstreckt sich bis hin zur Empfehlung und evtl. Begleitung zu Beratungen in entsprechenden Einrichtungen.

 

Hinweis

Ob dem Mandanten Adressen für Beratungen und Therapien zu empfehlen sind, ist abzuwägen: Einerseits wird er für den "Service" des Rechtsanwalts dankbar sein, dass er sich nicht eigenständig auf die Suche machen muss; andererseits besteht die Gefahr, dass der Rechtsanwalt für einen schwierigen Verlauf verantwortlich gemacht wird und ggf. die Zusammenarbeit erschwert werden könnte.

Es kann unter Umständen empfehlenswert sein, mit den Personen, die die Beratungen oder Therapien durchführen, die Problematik zu besprechen. Der Rechtsanwalt als Interessenvertreter des Betroffenen kann am besten gegenüber der Beratungsstelle, die in aller Regel nicht mit der rechtlichen Problematik vertraut ist, die konkrete Problemstellung darlegen. Hinzu kommt, dass es dem Mandanten erspart bleibt, erneut den Sachverhalt und seine Probleme darzulegen, wenn der Rechtsanwalt die Beratungsstelle entsprechend informiert. Günstig ist dann allerdings, mit der Beratungsstelle eine wechselseitige Rückkopplung über den Erfolg der empfohlenen Beratung abzustimmen.

 

Rz. 22

Auch erscheint es sinnvoll, die erörterten Probleme und Lösungsmöglichkeiten dem Mandanten schriftlich darzulegen. In diesem Zusammenhang ist ebenso daran zu denken, die Frage der Vergütung mit dem Mandanten anzusprechen – insbesondere kommt die Vergütungsvereinbarung bei erhöhtem Arbeitsaufwand und entsprechender Betreuung in Betracht.

3. Chancen zur Vermeidung eines Fahrverbots

 

Rz. 23

Ist Gegenstand des Verfahrens eine Ordnungswidrigkeit, so wird gewöhnlich das Ziel im Vordergrund stehen, die Anordnung eines Regelfahrverbots gemäß der Bußgeld-Katalog-Verordnung (BKatV) zu vermeiden.[11]

 

Hinweis

Auch mit der Gesetzesänderung,[12] das Fahrverbot als allgemeine Maßregel – also gänzlich unabhängig vom verkehrsrechtlichen Bezug – zu verhängen, wird der Strafverteidiger konfrontiert sein: "“Die Öffnung des Fahrverbots für alle Straftaten erweitert die Möglichkeiten strafrechtlicher Sanktionen‘, sagte Bundesjustizminister Heiko Maas. “Dadurch geben wir...

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