Rz. 171

Da dem Sozialplan auch eine Befriedungsfunktion zukommt, besteht durchaus die Möglichkeit, auch in Fällen, in denen die Voraussetzungen für einen erzwingbaren Sozialplan nicht gegeben sind, einen solchen auf freiwilliger Basis abzuschließen. Den Betriebsparteien steht eine umfassende Regelungskompetenz in sozialen wirtschaftlichen und personellen Angelegenheiten zu. Diese räumt ihnen das Recht ein, in jedem Fall auch freiwillige Regelungen für den Ausgleich der wirtschaftlichen Folgen eines Arbeitsplatzverlustes zu treffen.[193] Hieraus folgt letztlich auch die Möglichkeit, unabhängig vom Vorliegen einer konkreten Betriebsänderung, Regelungen zum Ausgleich entstehender wirtschaftlicher Nachteile auch in einem vorsorglichen Sozialplan aufzunehmen. Auch solche derartige Regelungen stellen entsprechend § 88 BetrVG eine freiwillige Betriebsvereinbarung dar, die natürlich nicht erzwungen werden kann.[194] Ein solcher vorsorglicher Sozialplan kommt in Betracht, wenn eine Betriebsänderung zwar denkbar ist, aber entweder ihre Auswirkungen noch nicht klar absehbar sind oder wenn die unternehmerische Maßnahme gar mehrere Betriebsänderungen in aufeinanderfolgenden Stufen darstellt.[195] Da die Betriebsänderung zumindest schon abschätzbar ist, übt mit Abschluss einer derartigen vorsorglichen Regelung der Betriebsrat sein Mitbestimmungsrecht vorzeitig aus. Er verzichtet damit nicht in unzulässiger Weise auf etwaige künftig noch entstehende Mitbestimmungsrechte. Umgekehrt ist allerdings das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates dann auch verbraucht, falls im Anschluss tatsächlich eine entsprechende Betriebsänderung stattfindet.[196]

 

Rz. 172

Von einem bloßen Rahmensozialplan hingegen spricht man, wenn die Betriebsänderung noch überhaupt nicht abschätzbar ist. In diesen Rahmensozialplan einigen sich die Betriebsparteien auf Eckpunkte für einen künftigen Sozialplan, legen jedoch noch nicht abschließende Konditionen fest. Folglich kann er auch noch keine Sperrwirkung entfalten. Ansonsten würde ein unzulässiger Verzicht auf Mitbestimmungsrechte vorliegen, wenn der Betriebsrat für den Fall, dass sich eine Betriebsänderung realisiert, nicht mehr über einen Sozialplan verhandeln könnte.[197] Auch die in einem Sozialplan vereinbarte Fortschreibung der Sozialplankonditionen für einen längeren Zeitraum stellt letztendlich ­einen Rahmensozialplan in diesem Sinne dar.

 

Rz. 173

 

Hinweis

Insbesondere bei einem Rahmensozialplan, der für einen längeren Zeitraum zur Anwendung kommen soll und zumindest Leitlinien beschreibt, sollte auf Seiten des Betriebsrates genau überlegt werden, ob hierdurch nicht ein wesentlicher Effekt des Sozialplans wegfällt. Der Sozialplan kann dem Arbeitgeber finanzielle Belastungen durch den vereinbarten Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile auferlegen. Ist für den Unternehmer nicht kalkulierbar, wie "teuer" seine geplante Betriebsänderung wird, bestehen für den Betriebsrat im Interessenausgleichsverfahren bessere Möglichkeiten, auf mildere Maßnahmen hinzuwirken, da ja ggf. hohe Sozialplanansprüche drohen. Hat sich ein Betriebsrat im Rahmensozialplan jedoch bereits festgelegt, so hat der Unternehmer bereits eine Kalkulationsgrundlage und kann besser planen. Auch wenn der Rahmensozialplan für den Betriebsrat keine Bindungswirkung entfaltet, hat sich dieser doch mit den dort vereinbarten Abfindungen bereits einmal einverstanden erklärt und muss dann argumentieren, warum er hiervon abweichen will. In jedem Falle gibt er mit einem Rahmensozialplan ein Stück Verhandlungsspielraum aus der Hand. Es sollte deshalb genau abgewogen werden, ob dies sinnvoll ist.

[195] Krieger/Terhorst, NZA 2014, 689.
[197] DKKW/Däubler, §§ 112, 112a BetrVG Rn 195.

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