Rz. 239

Der Mandant ist darauf hinzuweisen, dass er einen von ihm auszuwählenden öffentlich bestellten, vereidigten und vor allem unabhängigen Sachverständigen beauftragen kann und dies auch dann, wenn der Versicherer des Gegners bereits eine Begutachtung durch einen (ggf. hauseigenen) Sachverständigen durchgeführt hat (OLG Karlsruhe NJW 1968, 1333; KG DAR 1971, 295).

 

Rz. 240

Das ist zunehmend von Bedeutung, weil die Versicherer alles daransetzen, die freien Sachverständigen vom Markt zu drängen, indem sie deren Gutachten durch hauseigene Sachverständige, "CarExpert" oder die DEKRA gegenbegutachten lassen, mit – wen wundert es – regelmäßig deutlich niedrigeren Werten (siehe Rdn 18 ff.). Dabei werden aber in der Regel billigere Reparaturwege gewählt (Ausbeulen statt Ersetzen) und deutlich von der Realität abweichende Stundenverrechnungssätze (mittlere Stundenverrechnungssätze statt solcher einer markengebundenen Werkstatt vor Ort). Solche "Gegengutachten" sollten daher sehr sorgfältig geprüft und dem privat beauftragten freien und unabhängigen Sachverständigen zur Überprüfung vorgelegt werden.

 

Rz. 241

Bei einer Beauftragung eines hauseigenen Sachverständigen des Versicherers, der Firma "CarExpert" oder der DEKRA sollte sehr sorgfältig geprüft werden, ob dies tatsächlich "im Auftrage des Geschädigten" geschah (z.B. durch die Werkstatt, aber in Vollmacht des Geschädigten) oder ob nicht vielmehr ein rechtlich korrektes Vertretungs- und Beauftragungsverhältnis durch den Geschädigten gar nicht vorlag. Oft hat nämlich die Werkstatt oder der Versicherer eigenmächtig und ohne Einwilligung oder Kenntnis des Geschädigten gehandelt. Wenn nämlich das Gutachten dieser Institutionen gegenüber einem Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen negativ abweichen sollte, geht es regelmäßig um die Frage, ob ein anschließend oder daneben in Auftrag gegebenes weiteres Gutachten vom gegnerischen Versicherer dennoch zu bezahlen ist und welches Gutachten bei der Schadensregulierung zugrunde zu legen ist (dazu siehe § 7 Rdn 10 ff.).

 

Rz. 242

Ebenso darf sich der Geschädigte die Werkstatt zur Durchführung der Reparatur frei auswählen und er unterliegt unverändert keinerlei Weisungen des Gegners oder dessen Versicherers. Den Bestrebungen der Assekuranz, über die "Hintertür" des Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht eigene, günstigere Werkstätten (siehe Rdn 111 ff.) zur Schadensbeseitigung durchzusetzen, ist – ggf. mit gerichtlicher Hilfe – massiv entgegenzutreten. Das gilt selbst dann, wenn der Gegner zufällig Inhaber einer Reparaturwerkstatt ist.

 

Rz. 243

Wegen der (später erörterten) Mietwagenproblematik (vgl. § 8 Rdn 115 ff.) sollte der Mandant auf die alternative Möglichkeit der Beanspruchung von Nutzungsausfall hingewiesen werden, oft für den Mandanten nützlich zum Schließen von Finanzierungslücken bei gegebener Mithaftung.

 

Rz. 244

Stets und mit aller Deutlichkeit muss der Mandant auf seine Schadensminderungspflicht hingewiesen werden (lesenswert: Wortmann, Schadensminderungspflicht nach einem unverschuldeten Unfall, zfs 1999, 1 ff., das Fazit des Autors lautet: "Im Grunde gibt es bei deliktischen Schadensersatzansprüchen nach Schadenseintritt überhaupt keine Schadensminderungspflicht des Geschädigten"). Jeder Anwalt sollte daher schon bei der ersten Besprechung darauf hinweisen, dass der Mandant bei der Schadensbeseitigung keinen Aufwand betreiben sollte, den er bei einem Eigenschaden nicht auf sich genommen hätte, er sich also im Grunde so zu verhalten hat, als müsse er den Schaden selbst bezahlen.

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