Rz. 592

Eine betriebsbedingte Kündigung kommt dann in Betracht, wenn der Insolvenzverwalter arbeitsplatzrelevante Rationalisierungsmaßnahmen bzw. Betriebs- oder Teilbetriebsschließungen vornimmt, die zu einer Personalreduzierung führen. Ist allerdings vom Gemeinschuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits wegen der (beabsichtigten) Betriebs- oder Teilbetriebsschließung betriebsbedingt unter Anwendung der allgemeinen Kündigungsfristen gekündigt worden, sollte nach der Auffassung des ArbG Köln der Insolvenzverwalter nicht nach Eröffnung des Verfahrens erneut mit den privilegierten (kürzeren) Kündigungsfristen gem. § 113 InsO (siehe Rdn 307 ff.) wegen des gleichen Kündigungsgrundes zu einem früheren Kündigungsendtermin noch einmal kündigen können.[603]

 

Rz. 593

Das ArbG Köln führte dazu aus:

Zitat

"Die Insolvenz als solche stellt keinen betriebsbedingten Kündigungsgrund dar; vielmehr bedarf es eines Beschlusses des Insolvenzverwalters zur Betriebsstilllegung. Ein Arbeitsverhältnis, das schon vor Konkurseröffnung wegen unstreitiger Betriebsstilllegung gekündigt wurde, endet – trotz einer neuen Kündigung nach § 113 InsO – mit der vertraglich bzw. tarifvertraglich geltenden Kündigungsfrist, wenn die vorkonkursliche Kündigung nach § 7 KSchG wirksam geworden ist."[604]

 

Rz. 594

Das BAG[605] hat aber anders entschieden und die Problematik der sog. Nachkündigung in der Insolvenz geklärt. Der Insolvenzverwalter kann ein Arbeitsverhältnis auch dann mit der kurzen Kündigungsfrist des § 113 Abs. 1 S. 2 InsO kündigen, wenn die Schuldnerin mit seiner Zustimmung oder er selbst als vorläufiger Insolvenzverwalter zuvor unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zu einem späteren Kündigungsendtermin gekündigt hatte. Eine unzulässige "Wiederholungskündigung" oder "Nachkündigung" liege darin nicht.[606]

 

Rz. 595

Unklar ist, ob dies auch für die Eigenverwaltung gilt. Denn hier ist der Arbeitgeber zumindest personenidentisch. Sinn und Zweck des § 113 InsO lag aber darin, die Masse nicht unnötig mit Arbeitnehmeransprüchen zu überfrachten, die der Sanierung nicht dienlich wären. Vor diesem Hintergrund muss wohl davon ausgegangen werden, dass das Nachkündigungsrecht auch für die Eigenverwaltung gilt.

[603] ArbG Köln v. 8.12.1998 – 4 (15) Ca 5991/98, NZA-RR 1999, 416 = NZI 1999, 282 = ZInsO 1999, 539 m. abl. Anm. Berscheid, NZI 1999, 282; dazu auch Leithaus, NZI 1999, 254; Berscheid, NZI 2000, 1, 5.
[604] ArbG Köln v. 8.12.1998 – 4 (15) Ca 5991/98, NZA-RR 1999, 416 = NZI 1999, 282 = ZInsO 1999, 539 ­(Berscheid); dazu Leithaus, NZI 1999, 254.
[605] BAG v. 8.4.2003 – 2 AZR 15/02, AP Nr. 40 zu § 113 BetrVG 1972 = ZIP 2003, 1260; BAG v. 22.5.2003 – 2 AZR 255/02, NZI 2003, 673 = ZIP 2003, 1670 = DZWIR 2003, 465.
[606] Zur Zulässigkeit und zur Unzulässigkeit von sog. Nach- oder Wiederholungskündigungen – auch in der Insolvenz – siehe zuvor auch schon LAG Hamm v. 13.8.1997 – 14 Sa 566/97, EzA § 113 InsO Nr. 1 = LAGE § 113 InsO Nr. 1 = BB 1998, 541 = ZInsO 1998, 140 = ZIP 1998, 161, dazu EWiR 1998, 153 (Henssler) und EWiR 1998, 901 (Pape); LAG Hamm v. 23.9.1999 – 4 Sa 1007/98, ZInsO 1999, 659 = ZIP 2000, 246; LAG Hamm v. 23.9.1999 – 4/19 Sa 1361/98, ZInsO 1999, 660; LAG Düsseldorf v. 13.1.1999 – 12 Sa 1810/98, ZInsO 1999, 544; BAG v.16.6.1999 – 4 AZR 68/98, ZInsO 1999, 714.

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