Rz. 506

Die Vermutungsbasis, dass eine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG vorlag und für die Kündigung des Arbeitnehmers kausal war und dass der Arbeitnehmer ordnungsgemäß in einem Interessenausgleich benannt ist, hat dabei der Arbeitgeber substantiiert darzulegen und ggf. zu beweisen.[517]

 

Rz. 507

Die Wirkungen des § 1 Abs. 5 S. 1 und 2 KSchG treten nur ein, wenn die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, "in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet" sind. Diese Voraussetzung ist nicht nur erfüllt, wenn die Namensliste im Text des nach § 112 Abs. 1 S. 1 BetrVG schriftlich niederzulegenden Interessenausgleichs enthalten ist, sondern auch dann, wenn Interessenausgleich und Namensliste eine Urkunde bilden, die insgesamt dem Schriftformerfordernis der §§ 125, 126 BGB genügt.[518] Wird die Namensliste getrennt von dem Interessenausgleich erstellt, reicht es aus, wenn sie von den Betriebsparteien unterzeichnet ist und in ihr oder im Interessenausgleich auf sie Bezug genommen ist.

 

Rz. 508

Der Interessenausgleich kann, um die Wirkungen des § 1 Abs. 5 KSchG auszulösen, noch nach seinem Abschluss zeitnah um eine Namensliste ergänzt werden.[519] Wann eine zeitnahe Ergänzung des Interessenausgleichs vorliegt, kann nach der Auffassung des BAG nicht durch eine starre Regelfrist bestimmt werden. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls. Ausgangspunkt ist der in § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG verdeutlichte Wille des Gesetzgebers, wonach sich Interessenausgleich und Namensliste als einheitliche Urkunde darstellen müssen. Die Anforderung einer zeitnahen Ergänzung soll daher ebenso wie das Erfordernis einer inhaltlichen Bezugnahme sicherstellen, dass ein hinreichender Zusammenhang zwischen der Namensliste und dem Interessenausgleich besteht. Dieser Zusammenhang kann sich in zeitlicher Hinsicht beispielsweise aus fortdauernden Verhandlungen der Betriebsparteien über die Erstellung einer Namensliste ergeben. Die Grenze bildet der Ausspruch der Kündigung.[520]

 

Rz. 509

Ob die nachträgliche Ergänzung des Interessenausgleichs um eine Namensliste i.S.v. § 1 Abs. 5 KSchG voraussetzt, dass eine solche Möglichkeit bereits im Interessenausgleich angelegt ist, kann nach der Auffassung des BAG ebenfalls dahinstehen.[521]

[517] BAG v. 22.1.2004 – 2 AZR 111/02, AP BetrVG 1972 § 112 Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 11; BAG v. 7.5.1998 – 2 AZR 55/98, BAGE 88, 375.
[518] BAG v. 6.7.2006 – 2 AZR 520/05, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 80 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 68; BAG v. 22.1.2004 – 2 AZR 111/02, AP BetrVG 1972 § 112 Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 11.
[519] BAG v. 22.1.2004 – 2 AZR 111/02, AP BetrVG 1972 § 112 Namensliste Nr. 1 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 11; BAG v. 26.3.2009 – 2 AZR 296/07, NZA 2009, 1151.
[520] Vgl. insoweit bspw. APS/Kiel § 1 KSchG Rn 797; ErfK/Gallner, § 125 InsO Rn 2.
[521] BAG v. 26.3.2009 – 2 AZR 296/07, NZA 2009, 1151; befürwortend bspw. Eylert/Schinz, AE 2004, 219, 226 f.

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