Rz. 469

Bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Punkteschemata kann auf die Rechtsprechung zurückgegriffen werden, die bis zum Inkrafttreten des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes am 1.10.1996 ergangen ist. Insoweit besteht also ein Gestaltungsspielraum innerhalb der vier gesetzlich vorgegebenen Sozialauswahlkriterien ohne einen Vorrang von Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten oder einer etwaigen Schwerbehinderung. Allerdings dürfte es zulässig sein, dabei der Betriebszugehörigkeit ein besonderes Gewicht zuzuerkennen.

 

Rz. 470

Denn auch das BAG geht im Urt. v. 2.12.1999[482] davon aus, dass es nur wegen der Besonderheiten der in sich abgeschlossenen Regelungen zur Sozialauswahl in § 1 Abs. 5 KSchG a.F. statthaft gewesen sei, bei der Auswahl der in die Namensliste aufzunehmenden Arbeitnehmer das Schwergewicht auf die Unterhaltspflichten der betroffenen Arbeitnehmer zu legen. Mit dem Wegfall der Regelung über die Namensliste könne der Betriebszugehörigkeit aber wieder die Priorität eingeräumt werden, die schon durch §§ 9, 10 KSchG zum Ausdruck gebracht wird.

 

Rz. 471

 

Praxistipp

Da es insoweit auf die betrieblichen Gegebenheiten ankommt, kann eine allgemeingültige Gewichtung der Sozialdaten nicht vorgegeben werden. Die Entwicklung eines Punkteschemas kann z.B. durch die bestehende Altersstruktur oder das im Betrieb vorhandene Erfordernis besonderer Kenntnisse und Fähigkeiten beeinflusst werden.

 

Rz. 472

 

Praxistipp

Denkbar ist allerdings, dass vereinbart wird, dass nicht nur bei gleicher Punktzahl, sondern auch bei annähernd gleicher Punktzahl (z.B. Differenz von ein bis zwei Punkten) eine Einzelfallabwägung erfolgen muss, die auch zusätzliche Kriterien zu berücksichtigen hat. Welche Kriterien dies sind, könnte dann bereits in der Betriebsvereinbarung vorgegeben werden (z.B. Pflege von Angehörigen, Stellung als Alleinerziehende(r)).

 

Rz. 473

Schließlich soll das Punkteschema die Sozialauswahl nur erleichtern, eine an sozialen Gesichtspunkten orientierte Abwägung aber gleichwohl nicht ausschließen. Folge einer solchen Einzelfallabwägung ist freilich, dass diese durch das Gericht voll überprüft werden kann. § 1 Abs. 4 KSchG gilt nur für die unmittelbar durch die Betriebsvereinbarung vorgegebene Auswahlentscheidung, so dass der Arbeitgeber bei einer entsprechende Rüge des Arbeitnehmers gehalten ist, die zusätzlichen Kriterien seiner Auswahlentscheidung aufzuzeigen. Hier genügt es nicht, auf die Betriebsvereinbarung zu verweisen.

 

Rz. 474

 

Hinweis

Die Sozialauswahl musste nach bisherigem Rechtsverständnis immer – auch wenn eine Vorauswahl anhand eines Punkte- bzw. Auswahlschemas erfolgt – abschließend "handgesteuert" vorgenommen werden.[483] In jedem Fall musste auch nach der bisherigen BAG-Rechtsprechung im Anschluss an die Vorauswahl aufgrund der Punktetabelle eine individuelle Abschlussprüfung der Auswahl stattfinden.[484] Diese Rechtsprechung hat das BAG inzwischen aufgegeben.[485]

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