Rz. 495

§ 1 Abs. 5 KSchG gilt nur in Betrieben mit einem Betriebsrat nach dem Betriebsverfassungsgesetz, nicht in Betrieben mit einer Personalvertretung oder kirchlichen Einrichtungen mit kirchlicher Mitarbeitervertretung.[507]

 

Rz. 496

Die Wirkungen des § 1 Abs. 5 S. 1 und 2 KSchG treten nur ein, wenn die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, "in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet" sind. Diese Voraussetzung ist nicht nur erfüllt, wenn die Namensliste im Text des nach § 112 Abs. 1 S. 1 BetrVG schriftlich niederzulegenden Interessenausgleichs enthalten ist, sondern auch dann, wenn Interessenausgleich und Namensliste eine Urkunde bilden, die insgesamt dem Schriftformerfordernis der §§ 125, 126 BGB genügt.[508] Wird die Namensliste getrennt von dem Interessenausgleich erstellt, reicht es aus, wenn sie von den Betriebsparteien unterzeichnet ist und in ihr oder im Interessenausgleich auf sie Bezug genommen ist.

 

Rz. 497

Das Schriftformerfordernis in § 112 Abs. 1 BetrVG dient primär der Normenklarheit und weniger dem Übereilungsschutz oder Beweiszwecken. Die Schriftform soll Zweifel am Zustandekommen und am Inhalt der vereinbarten Kollektivregelung ausschließen.[509] Dieser Zweck erfordert beim Fehlen einer schon anfänglich festen körperlichen Verbindung von Interessenausgleich und Namensliste eine wechselseitige Inbezugnahme der beiden Schriftstücke. Andernfalls ist die Intention der fraglichen Namensliste nicht zweifelsfrei zu erkennen. Diese muss unmissverständlich darauf gerichtet sein, die inhaltliche Ergänzung und damit den Bestandteil eines ganz bestimmten Interessenausgleichs für eine ganz bestimmte Betriebsänderung i.S.v. § 111 BetrVG, § 1 Abs. 5 KSchG zu bilden. Um dies annehmen zu können, ist nicht nur eine Verweisung im Interessenausgleich auf eine (noch zu erstellende) Namensliste, sondern auch ein textlicher Rückbezug in der (zeitnah erstellten) Namensliste auf den betreffenden Interessenausgleich unverzichtbar. Nur so ist für den Fall, dass beide Schriftstücke nicht schon von Beginn an körperlich miteinander verbunden waren, die erforderliche Einheitlichkeit der Urkunde herzustellen und zu garantieren.[510]

 

Rz. 498

Voraussetzung ist ein wirksam vereinbarter Interessenausgleich über eine konkret beabsichtigte Betriebsänderung i.S.v. §§ 111 ff. BetrVG. Ein freiwilliger Interessenausgleich mit entsprechender Namensliste führt die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG bzw. § 125 InsO nicht herbei.[511]

 

Rz. 499

Die Vermutungswirkungen eines Interessenausgleichs mit namentlicher Benennung der zu kündigenden Arbeitnehmer gelten auch dann nicht, wenn die Arbeitnehmer nicht aufgrund der dem Interessenausgleich zugrunde liegenden Betriebsänderung (siehe § 2 Rdn 15 ff.), sondern aufgrund anderer betrieblicher Gründe entlassen werden sollen. Deshalb ist es Sache des Arbeitgebers, im Rahmen seiner prozessualen Darlegungslast den Zusammenhang zwischen der Betriebsänderung und den Entlassungen darzulegen.

 

Rz. 500

Die Wirkungen des § 1 Abs. 5 KSchG treten nur ein, wenn die der Kündigung zugrunde liegende Betriebsänderung vollumfänglich Gegenstand einer Verständigung der Betriebsparteien i.S.v. § 111 S. 1, § 112 BetrVG ist. Ein Interessenausgleich nur über Teile der Betriebsänderung reicht nicht aus.[512] Die tatbestandlichen Voraussetzungen für das Eingreifen der Vermutung (Vermutungsbasis) hat der Arbeitgeber substantiiert darzulegen und ggf. zu beweisen. Zu diesen gehören das Vorliegen einer Betriebsänderung i.S.v. § 111 S. 1 BetrVG, die für die Kündigung des Arbeitnehmers kausal war, sowie dessen ordnungsgemäße Bezeichnung in einem Interessenausgleich.

 

Rz. 501

Wie in diesem Zusammenhang zeitversetzte Personalabbaumaßnahmen zu beurteilen sind, hängt maßgeblich von den Planungsvorstellungen des Arbeitgebers ab. Beruht der sukzessive Personalabbau auf einer einheitlichen unternehmerischen Planung, sind die Abbaumaßnahmen grundsätzlich zusammen zu betrachten. Eine enge zeitliche Nähe der Entlassungswellen ist dabei nicht zwingend vorausgesetzt, kann aber eine einheitliche Planung indizieren. Eine spätere Entlassungswelle kann auch das Ergebnis einer neuen Planung sein. Dies gilt insbesondere, wenn nach der ersten Entlassungswelle neue; vom Arbeitgeber ursprünglich nicht vorhergesehene und eingeplante Umstände eingetreten sind. In solchen Fällen sind die aufgrund neuer Planung ergriffenen Maßnahmen grundsätzlich unabhängig von einem bis dahin durchgeführten Personalabbau zu betrachten, auch wenn sie möglicherweise auf derselben wirtschaftlichen Entwicklung beruhen.[513]

 

Rz. 502

 

Praxistipp

Dies kann bereits im Interessenausgleich selbst geschehen, wenn dort das Sanierungskonzept und seine Folgewirkungen auf die Arbeitsplätze kurz dargestellt werden. Das ist insbesondere bei einer Teileinschränkung eines Betriebes notwendig, die sich in Form eines bloßen Personalabbaus ohne Verringerung der sächlichen Betriebsmittel in der Größenordnung der Zahlen- und Prozentangaben des § ...

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