a) Gesetzliche Grundlagen

 

Rz. 488

Die sog. Namenslistenregelung war im Zeitraum vom 1.10.1996 bis 31.12.1998 schon in der Vorschrift des § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG a.F. [1996] enthalten. Die dortige Rechtsprechung kann weitgehend auch auf die Neuregelung seit dem 1.1.2004 und auf § 125 InsO übertragen werden. Die Überprüfungsbeschränkung anhand eines Interessenausgleichs mit Namensliste nach § 1 Abs. 5 KSchG war mit Wirkung ab 1.1.1999 abgeschafft worden. Durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 mit Wirkung ab 1.1.2004 ist diese Überprüfungsbeschränkung anhand einer sog. Namensliste dann wieder eingeführt worden. Sie gilt auch bei Änderungskündigungen.[497]

 

Rz. 489

Eine solche vereinfachende Namenslisten-Regelung findet sich auch weiterhin noch

in der Insolvenzordnung für Betriebsänderungen im Insolvenzverfahren nach § 125 InsO (siehe § 2 Rdn 87 ff.)[498] und
im Umwandlungsgesetz 1995 bei der Zuordnung der Arbeitnehmer im Rahmen einer Spaltung (§ 323 Abs. 2 UmwG). Ob die Vorschrift des § 323 Abs. 2 UmwG analog auf andere Umstrukturierungsvorgänge anwendbar ist, ist streitig.[499]
[498] Dazu umfassend Weisemann/Smid/Arens, Kap. 14, S. 515 ff. m.w.N.
[499] Bejahend LAG Hamm v. 6.7.2000 – 233/00, ZInsO 2001, 336.

b) Verfassungsgemäßheit der sog. Namenslistenregelung

 

Rz. 490

§ 1 Abs. 5 KSchG verstößt nach der Auffassung des BAG weder gegen das Grundrecht auf freie Berufsausübung gem. Art. 12 Abs. 1 GG noch gegen das aus Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitende Gebot des fairen Verfahrens.[500] Entsprechendes wird für die Namenslistenregelung des § 125 InsO gelten müssen. Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG garantiere neben der freien Wahl des Berufs auch die freie Wahl des Arbeitsplatzes. Mit der Wahlfreiheit sei aber weder ein Anspruch auf Bereitstellung eines Arbeitsplatzes eigener Wahl noch eine Bestandsgarantie für den einmal gewählten Arbeitsplatz verbunden. Ebenso wenig verleihe das Grundrecht unmittelbaren Schutz gegen den Verlust eines Arbeitsplatzes aufgrund privater Dispositionen. Insoweit obliege dem Staat lediglich eine aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende Schutzpflicht, der die geltenden Bestandsschutzvorschriften hinreichend Rechnung trage. Direkte staatliche Eingriffe in bestehende Arbeitsverhältnisse müssten sich aber stets an dem Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes messen ­lassen.[501]

 

Rz. 491

Handelt auf Arbeitnehmerseite der örtliche Betriebsrat, so beziehe sich die Vermutung ohne Weiteres auf die dringenden betrieblichen Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung im Betrieb entgegenstehen und die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit in diesem Betrieb. Bezweifelt der Arbeitnehmer die Prüfung der Beschäftigungsmöglichkeit in anderen Betrieben, so erstrecke sich die Vermutung darauf nur dann, wenn der Arbeitgeber eine solche Prüfung nachweist. Wenn der Gesamtbetriebsrat im Rahmen seiner Zuständigkeit nach § 50 BetrVG den Interessenausgleich mit Namensliste abschließt, bestehe eine ausreichende Legitimation auch für die Frage der fehlenden Weiterbeschäftigung in einem anderen Betrieb.[502] Auch dies sichere die Rechtsposition des Arbeitnehmers.[503]

 

Rz. 492

Dem durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Interesse des Arbeitnehmers an einer Erhaltung seines Arbeitsplatzes stehe das Interesse des Arbeitgebers gegenüber, in seinem Unternehmen nur Mitarbeiter zu beschäftigen, die seinen Vorstellungen entsprechen, und ihre Zahl auf das von ihm bestimmte Maß zu beschränken. Er übe damit regelmäßig seine Berufsfreiheit i.S.v. Art. 12 Abs. 1 GG, jedenfalls aber seine wirtschaftliche Betätigungsfreiheit aus, die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt ist. Die somit gegenläufigen Grundrechtspositionen seien in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und so zu begrenzen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden.[504]

 

Rz. 493

Das BAG hat auch darauf hingewiesen, dass § 1 Abs. 5 S. 1 KSchG eine widerlegbare gesetzliche Vermutung für das Vorliegen dringender betrieblicher Interessen enthält. § 292 ZPO sieht für den Fall einer widerlegbaren gesetzlichen Vermutung die Möglichkeit des Gegenbeweises ausdrücklich vor. Dies möge im Einzelfall für den Arbeitnehmer mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein, sei aber nicht ausgeschlossen.[505]

 

Rz. 494

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH und des BAG, dass die Darlegungslast des Pflichtigen, wenn es um Geschehnisse aus dem Bereich der anderen Partei geht, durch eine sich aus § 138 Abs. 1 und 2 ZPO ergebende Mitwirkungspflicht des Gegners gemindert wird. Darüber hinaus erlegt die Rechtsprechung dem Gegner der primär behauptungs- und beweisbelasteten Partei dann eine gewisse (sekundäre) Behauptungslast auf, wenn eine darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufes steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind.[506] Dies hat zur Folge, dass bei fehlender Kenntnis und fehlender Kenntnismöglichkeit des Arbeitnehmers regelmäßig eine sekundäre Darlegungslast des Arbe...

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