Rz. 30

Ein vom Gemeinschuldner geführter Rechtsstreit wird in jedem Fall spätestens mit der Verfahrenseröffnung nach den Regelungen der §§ 239, 242 ZPO unterbrochen. Die Unterbrechung dauert an bis zu einer etwaigen Aufnahme des Verfahrens durch den Verwalter.

 

Rz. 31

Die Bestellung eines Insolvenzverwalters bewirkt verfahrensrechtlich, dass

anhängige Rechtsstreite nach § 240 S. 2 ZPO unterbrochen werden und nur nach insolvenzrechtlichen Vorschriften aufgenommen werden (§ 240 S. 1 ZPO i.V.m. § 86 Abs. 1 Nr. 1 InsO),
in laufenden Rechtsstreiten das Rubrum gegen den Insolvenzverwalter umzustellen ist,
neue Rechtsstreite direkt gegen den Insolvenzverwalter zu richten sind und
bestehende Titel auf diesen umzuschreiben sind.
 

Rz. 32

 

Hinweis

Ein Kündigungsrechtsstreit wird durch die Eröffnung des vereinfachten Verbraucherinsolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitnehmers nicht nach § 240 S. 1 ZPO unterbrochen. Er betrifft nicht die Insolvenzmasse, sondern einen höchstpersönlichen Anspruch des Klägers.[18]

 

Rz. 33

Ein Beschlussverfahren, das auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung und Versetzung von Arbeitnehmern und Feststellung deren dringender Erforderlichkeit aus sachlichen Gründen gerichtet ist, wird nach der Auffassung des LAG Berlin-Brandenburg durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers unterbrochen.[19]

 

Rz. 34

Der Insolvenzschuldner kann nach der Rechtsprechung des BAG gegen ein nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergangenes Urteil mit einem Rechtsmittel geltend machen, der Rechtsstreit sei infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vor Urteils­verkündung nach § 240 ZPO unterbrochen worden, wenn das mit der Sache befasste Gericht diese Rechtsfolge außer Acht gelassen und ein Urteil verkündet hat, durch das der Insolvenzschuldner materiell beschwert ist.[20] Unerheblich ist, dass während des Insolvenzverfahrens aus diesem Urteil gem. § 89 Abs. 1 InsO grundsätzlich nicht vollstreckt werden darf. Das zeigt sich bereits am Beispiel des Feststellungsurteils, das einer Vollstreckung nicht zugänglich ist. Dennoch kann das Urteil Grundlage für weitere Eingriffe in Rechtspositionen des Verurteilten sein. Ist beispielsweise festgestellt, dass ein Ar­beitsverhältnis besteht, kann dies Grundlage für spätere Annahmeverzugsansprüche sein. Im Übrigen können die Insolvenzgläubiger nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens ihre restlichen Forderungen gegen den Schuldner unbeschränkt geltend machen (§ 201 Abs. 1 InsO).

 

Rz. 35

Ein durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochener Rechtsstreit kann nur nach den Vorschriften der Insolvenzordnung aufgenommen werden (§ 240 S. 1 ZPO). Nach § 87 InsO können Insolvenzgläubiger – im Gegensatz zu aus- und absonderungsberechtigten Gläubigern sowie Massegläubigern (§ 86 Abs. 1 InsO) – ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren, also durch Anmeldung zur Insolvenztabelle gem. §§ 174 ff. InsO verfolgen.[21]

 

Rz. 36

Die Durchführung des insolvenzrechtlichen Feststellungsverfahrens dient dabei dem Interesse der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger. Durch das Prüfungsverfahren soll ihnen die Möglichkeit eröffnet werden, sich an der gerichtlichen Auseinandersetzung über die Begründetheit der Forderung zu beteiligen.[22]

 

Rz. 37

Können lediglich Insolvenzforderungen betroffen sein, kann ein bisher anhängiges Verfahren nur nach dem Durchlaufen des insolvenzrechtlichen Feststellungsverfahrens aufgenommen werden (§ 87, §§ 174 ff. InsO).[23]

 

Rz. 38

 

Praxistipp

Eine solche Aufnahme nach § 179 Abs. 1, § 180 Abs. 2 InsO setzt als Prozessvoraussetzung[24] das Vorliegen einer zur Insolvenztabelle angemeldeten, geprüften und bestritten gebliebenen – und bei Feststellungsansprüchen ggf. nach § 45 InsO umgerechneten – Forderung des Gläubigers voraus.[25] Der Streitwert einer Insolvenzfeststellungsklage entspricht dem Betrag der zu erwartenden Insolvenzquote.[26]

 

Rz. 39

Bei bestimmten Passivprozessen richtet sich die Aufnahme des Verfahrens nach § 86 InsO. Nach § 86 Abs. 1 InsO können Rechtsstreite, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Gemeinschuldner anhängig sind, sowohl vom Insolvenzverwalter als auch vom Gegner aufgenommen werden, wenn u.a. eine "Masseverbindlichkeit" (§ 86 Abs. 1 Nr. 3 InsO) betroffen ist. Der Begriff der Masseverbindlichkeit wird durch die Regelungen der §§ 54, 55 InsO abschließend bestimmt. Masseverbindlichkeiten sind zum einen die Kosten des Insolvenzverfahrens (§ 54 InsO) und zum anderen die in § 55 InsO aufgeführten Verbindlichkeiten, die i.d.R. erst nach Eröffnung des Insol­venzverfahrens begründet werden und einer ordnungsgemäßen Verfahrensabwicklung dienen.[27]

 

Rz. 40

 

Hinweis

Berühmen sich Gläubiger nicht vorinsolvenzlich entstandener Rechte gegen die Insolvenzmasse, sondern sog. Masseansprüche, können sie einen Rechtsstreit auch gegen den Insolvenzverwalter führen. Wenn in Wahrheit nur eine Insolvenzforderung vorliegt, ist eine Klage gegen den Insolvenzverwalter...

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