Rz. 12

Das Zustandekommen eines Anwaltsvertrages richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 145 ff. BGB.[42] Es bedarf also eines hinreichend bestimmten Angebots, das die Gegenseite ohne Änderung innerhalb der Annahmefrist annimmt. Vertretung ist beim Vertragsschluss durch einen anderen Rechtsanwalt möglich, nicht jedoch durch das Büropersonal, das etwaige Tätigkeitsverbote regelmäßig nicht zuverlässig beurteilen kann.[43]

Es bestehen keine Formvorschriften für den Anwaltsvertrag als solchen.[44] Eine genaue schriftliche Niederlegung ist gleichwohl empfehlenswert, nicht nur um den Inhalt des Mandats zu dokumentieren, sondern weil regelmäßig weitere Vereinbarungen getroffen werden (Haftungsbegrenzung § 52 BRAO, Vergütungsvereinbarung § 3a RVG) oder (vor)vertragliche Pflichten zu erfüllen sind, die bestimmten Formerfordernissen (Schriftform oder Textform) unterliegen oder zu Beweiszwecken dokumentiert werden sollten (z.B. Belehrungen über Widerrufsrechte oder Erfüllung von Informationspflichten bei Verbraucherverträgen, außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, Fernabsatzverträgen, Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr, etwa nach § 49b Abs. 5 BRAO, Art. 246, 246a §§ 1 bis 4, 246c EGBGB, § 2 bis 4 DL-InfoV).

In bestimmten Situationen werden Angebot und Annahme zwangsläufig nur mündlich erklärt werden, etwa bei Anwalts- oder Steuerberater-Hotlines (vgl. Rdn 45).

Ein Anwaltsvertrag kann weiter durch schlüssiges Verhalten der Vertragsparteien zustande kommen.[45] Hiervon ist ein Tätigwerden des Rechtsanwalts aufgrund einer Gefälligkeit, d.h. ohne rechtsgeschäftlichen Bindungswillen, abzugrenzen.[46] Im Zusammenhang mit Informations- und Belehrungspflichten kann sich daraus das Problem ergeben, dass – ausgehend vom Grundsatz eines gesetzestreuen Verhaltens – dem Anwalt im Zweifel der Rechtsbindungswille fehlt, solange er die gesetzlich vorgesehenen Belehrungen und Informationen noch nicht erteilt hat. Entsprechende Pflichtverstöße hindern nicht das Zustandekommen eines Anwaltsvertrags. Die gleichwohl möglichen Sanktionen, von Widerrufsrechten über Unterlassungsansprüche bis hin zu Bußgeldern und Schadensersatzansprüchen, legen es jedoch nahe, dass einem Rechtsanwalt der rechtsgeschäftliche Bindungswille fehlt, wenn er tätig wird, ohne diese gesetzlichen vorvertraglichen Pflichten zu erfüllen.

Der Rechtsanwalt hat regelmäßig ein Ermessen, ob er ein Mandat annehmen möchte. Ausnahmsweise ist er zur Annahme gesetzlich verpflichtet (vgl. Rdn 47). I.Ü. besteht kein Kontrahierungszwang für den Rechtsanwalt, da anderenfalls das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant gefährdet wäre.[47]

 

Rz. 13

Von dem Zustandekommen des Anwaltsvertrages ist die Bevollmächtigung des Rechtsanwalts zur Vornahme materiell- oder prozessrechtlicher Handlungen zu unterscheiden. Materiell-rechtlich betrachtet ist die erteilte Vollmacht nach dem Abstraktionsprinzip unabhängig vom Zustandekommen oder der Wirksamkeit eines Anwaltsvertrages. Von einer Unwirksamkeit kann deshalb nur ausgegangen werden, wenn eine einschlägige Verbotsnorm auch die Vollmacht erfassen will.[48] Auch prozessual gesehen ist die Wirksamkeit der (Prozess-)Vollmacht oder der von einem Rechtsanwalt namens der Partei vorgenommenen Prozesshandlungen unabhängig vom Bestehen des Anwaltsvertrages.[49] Das gilt sogar bei Zuwiderhandlung gegen umfassende und generelle Tätigkeitsverbote.[50]

 

Rz. 14

Rechtsfolge eines zwischen den Parteien geschlossenen Anwaltsvertrages ist v.a. die Verpflichtung des Rechtsanwalts, i.R.d. erteilten Auftrags nach jeder Richtung umfassend für den Mandanten tätig zu werden.[51] Wenn der Rechtsanwalt die vertraglich geschuldete Dienst- oder Werkleistung nicht sorgfältig erfüllt, muss er dem Mandanten den dadurch entstandenen Schaden ersetzen. Umgekehrt wird mit dem Vertragsschluss gem. § 612 Abs. 1 bzw. § 632 Abs. 1 BGB der Honoraranspruch des Rechtsanwalts gegen den Mandanten begründet.

[43] Borgmann/Jungk/Schwaiger, § 12 Rn 61; Vollkommer/Greger/Heinemann, § 3 Rn 4; OLG Düsseldorf, 22.11.2007 – 24 U 102/07, MDR 2008, 414.
[44] BGH, 21.3.1991 – IX ZR 186/90, NJW 1991, 2084, 2085.
[46] BGH, 18.12.2008 – IX ZR 12/05, NJW 2009, 1141, Rn 7; Krämer, in: FS Kreft, S. 79.
[47] Zu den gesetzlichen Pflichtmandaten vgl. §§ 78, 121 ZPO; §§ 78, 138 FamFG; § 6 BerHG; § 11a ArbGG; § 141 StPO.
[49] BGH, NJW 1971, 1801, 1802; BGH, NJW 1978, 1003, 1004; BGH, NJW 1993, 1926; BGH, 25.4.2007 – XII ZR 58/06, NJW 2007, 2124, Rn 11; OLG Hamm, NJW 1992, 1174, 1175 f.
[51] BGH, 30.9.1993 – IX ZR 211/92, NJW 1993, 3323, 3324.

1. Stillschweigender Vertragsschluss

 

Rz. 15

Um die Beteiligten vor ungewollten Haftungs- oder Gebührenrisiken zu schützen, kann ein stillschweigend (konkludent) geschlossener Anwaltsvertrag nicht ohne Weiteres angenommen werden.[52] Im Intere...

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