Rz. 240
Besondere nachvertragliche Pflichten eines Rechtsanwalts können sich auch daraus ergeben, dass eine erloschene (Prozess-)Vollmacht im Außenverhältnis z.T. als fortbestehend fingiert wird. So erlischt eine materiell-rechtliche Vollmacht zwar grds. mit der Beendigung des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses (§ 168 Satz 1 BGB). Die Vollmacht wirkt allerdings ggü. gutgläubigen Dritten gem. §§ 169 bis 173 BGB fort, wenn die Erteilung diesen bekannt gemacht, das Erlöschen jedoch nicht mitgeteilt worden ist. Nach § 87 Abs. 1 ZPO erlangt die Kündigung der Prozessvollmacht erst rechtliche Wirksamkeit, sobald das Erlöschen der Vollmacht dem Prozessgegner bzw. dem Prozessgericht angezeigt wird. In Rechtsstreitigkeiten, für die Anwaltszwang besteht (vgl. § 78 ZPO), erlangt die Kündigung sogar erst dann rechtliche Wirksamkeit, wenn dem Gegner und dem Gericht neben dem Ausscheiden des vormaligen Prozessbevollmächtigten die Bestellung eines neuen postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten angezeigt worden ist,[597] wobei Zustellungen nach § 172 ZPO bis zur Bekanntgabe des Wechsels an den bisherigen Prozessbevollmächtigen zu erfolgen haben.[598]
Gem. § 87 Abs. 2 ZPO ist der Prozessbevollmächtigte nach seiner eigenen Kündigung befugt, für den früheren Mandanten so lange zu handeln, bis dieser für die Wahrnehmung seiner Rechte in anderer Weise gesorgt hat. Dies mag bei materiell-rechtlichen nachwirkenden Vertragspflichten auch angezeigt sein. Allerdings ist der Rechtsanwalt nach Beendigung des Mandats und damit auch der Prozessvollmacht nicht verpflichtet, für den ehemaligen Mandanten tätig zu werden.[599] Macht der Rechtsanwalt von dieser Befugnis Gebrauch macht, treffen ihn die gleichen Pflichten wie bei fortbestehender Prozessvollmacht.[600]
Bei einem Anwaltswechsel können sich aus der fortbestehenden Vollmacht des zunächst tätigen Rechtsanwalts Probleme ergeben, wenn dieser z.B. ein von ihm und unabhängig davon vom neu beauftragten Rechtsanwalt eingelegtes Rechtsmittel ohne einschränkenden Zusatz und damit wirksam zurücknimmt.[601]
Rz. 241
Nach Beendigung des Mandats bleibt der Prozessbevollmächtigte verpflichtet, seine frühere Partei über eine an ihn erfolgte Zustellung unverzüglich zu unterrichten.[602] Der Rechtsanwalt muss den früheren Mandanten in dem erforderlichen Umfang belehren, insb. auf die Rechtsfolgen eines drohenden Fristablaufs hinweisen. Ein Verschulden des Rechtsanwalts ist dem ehemaligen Mandanten dann allerdings nicht mehr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen. Hierzu kommt es ausschließlich darauf an, ob der Rechtsanwalt noch beauftragt ist, nicht jedoch darauf, ob dessen Vertretungsmacht noch gem. § 87 Abs. 1 ZPO fortbesteht.[603] Erfolgt die Bekanntgabe einer Entscheidung an den früheren anwaltlichen Vertreter, der gem. § 87 Abs. 1 ZPO weiterhin zur Entgegennahme von gerichtlichen Entscheidungen bevollmächtigt ist, kann der frühere Mandant nicht geltend machen, die wirksam zugestellte Entscheidung nicht erhalten zu haben, auch wenn das Mandat bereits beendet war.[604]
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