A. Allgemeines

 

Rz. 1

Das erbrechtliche Mandat unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von der Mehrzahl der sonst üblicherweise einem Rechtsanwalt zur Bearbeitung übertragenen Mandate.

In der Regel steht nicht nur ein einzelner eng eingegrenzter Lebenssachverhalt, wie z.B. eine Forderung, ein Verkehrsunfall oder ein vertraglicher Anspruch im Streit. Vielmehr ist Grundlage der anwaltlichen Tätigkeit die Regelung eines gesamten Vermögens bzw. Ansprüche an einem über Jahre hinweg gebildeten Vermögen bzw. Nachlass. Bereits hieraus deutet sich an, dass die Bearbeitung der erbrechtlichen Mandate sowohl hinsichtlich des Umfangs der Sachverhalte – einschließlich der Fülle der rechtlich relevanten Informationen – als auch im Hinblick auf die Arbeitsintensität und den Streitwert – einschließlich damit verbundener Haftungsgefahren und des Gebührenvolumens – eine Sonderstellung im Rahmen der anwaltlichen Mandate einnehmen. Hinzu kommt die für diesen rechtlichen Bereich einschlägige hohe Anzahl an rechtlichen Vorschriften und Berührungspunkten zu anderen Rechtsgebieten wie dem Familien- und Gesellschaftsrecht sowie dem Steuerrecht.

Außerdem nimmt der Rechtsanwalt im erbrechtlichen Mandat aus der Sicht des beauftragenden Mandanten auch eine besondere Vertrauensstellung ein. Insbesondere in Fällen der Testamentsgestaltung offenbart der Mandant gegenüber dem Rechtsanwalt seine gesamte Vermögenssituation und seine Familienverhältnisse, selbst wenn diese aufgrund von Differenzen oder aus sonstigen Gründen streng vertraulich sind. Auch derjenige, der als Erbe, Pflichtteilsberechtigter oder sonstiger Anspruchsinhaber einen Rechtsanwalt mit seiner Beratung oder auch Vertretung beauftragt, wird häufig sensible Informationen zur Familien- und Vermögenssituation mitteilen müssen.

Die Annahme und Führung eines erbrechtlichen Mandats setzt daher neben einem fundierten Rechtswissen der erbrechtlich relevanten Vorschriften ein hohes Maß an vertrauenswürdiger und verantwortungsvoller Mandatsbearbeitung durch den Rechtsanwalt voraus. Dabei ist bereits bei Annahme des Mandats der Grundstein für eine im Interesse des Mandanten liegende Bearbeitung zu legen und die einmal geschaffenen Voraussetzungen und Grundlagen während der gesamten Führung des Mandats zu beachten.

B. Erstkontakt und Terminvereinbarung

 

Rz. 2

In der Regel setzt sich der "potentielle" Mandant vorab telefonisch mit der Rechtsanwaltskanzlei in Verbindung, um einen Termin mit dem Rechtsanwalt zu vereinbaren. Bereits im Rahmen dieses ersten telefonischen Kontaktes ist es sinnvoll, Informationen zum Inhalt der möglichen Beauftragung sowie der Dringlichkeit einer Terminsvereinbarung durch die Kanzleimitarbeiter abfragen zu lassen. Gerade im Bereich der erbrechtlichen Mandate ist in die eingesetzten Mitarbeiter ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein zu setzen. Sie sollten erkennen können, inwieweit u.U. die Notwendigkeit besteht, sofort einen Gesprächskontakt zum Rechtanwalt herzustellen oder zumindest einen umgehenden Rückruf zu gewährleisten.

 

Rz. 3

Bereits vor einem ersten Besprechungstermin ist es oft sinnvoll, sich hinsichtlich des Inhalts des möglichen zukünftigen Mandats erste Kenntnisse zu verschaffen, um letztlich auch gerade in Fällen einer weitläufigeren Terminsvereinbarung vorab schon feststellen zu können, inwieweit im betreffenden Mandat der Ablauf irgendwelcher Fristen droht. Auch bereits vor Mandatsannahme eintretende aber bei rechtzeitiger Terminsvergabe vermeidbare Fristabläufe können Versäumnisse darstellen, die zu einer Haftung nach den Grundsätzen der in § 311 Abs. 2 BGB geregelten c.i.c. führen können.

 

Rz. 4

Denkbar sind hier insbesondere Fristabläufe in Mandatsfällen, in denen ein Erbfall bereits vorliegt, z.B.

Ausschlagungsfrist von sechs Wochen nach § 1944 Abs. 1 BGB;
Frist zur Anfechtung der Annahme oder Ausschlagung von sechs Wochen nach § 1954 BGB;
Jahresfrist Testamentsanfechtung nach § 2082 BGB;
Verjährung von Pflichtteilsansprüchen und Ansprüchen gegen den Beschenkten (beachte hierzu § 2332 BGB: keine Jahresendverjährung);
Außerordentliches Kündigungsrecht eines Mietverhältnisses beim Tod eines (Mit-)Mieters binnen eines Monats, § 563a Abs. 2 BGB bzw. Nichtfortsetzungserklärung zum Eintrittsrecht bei Tod des Mieters binnen eines Monats nach § 563 Abs. 3 BGB;
Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts des Miterben nach § 2034 Abs. 2 S. 1 BGB von zwei Monaten beim Verkauf eines Miterbenanteils;
zwei Jahre Antragsfrist für Nachlassinsolvenz nach § 319 InsO (gilt nur für Gläubiger).
 

Rz. 5

Aber auch außerhalb der Frage der vorvertraglichen Haftung ist es wohl zweckmäßig, dass sich der Rechtsanwalt vor dem ersten Besprechungstermin über den möglichen Inhalt – und über ausstehende Rechtsfragen – des zukünftigen Mandats informiert bzw. ein erstes Vorgespräch mit dem Mandanten führt. So kann bereits anlässlich dieses ersten Gespräches der Mandant darauf hingewiesen werden, welche Unterlagen und Informationen bestenfalls für den ersten Besprechungstermin benötigt werden. Hierdurch wird ggf. bereits eine gez...

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