Rz. 9

Für die Bearbeitung erbrechtlicher Mandate ist zwingend eine umfassende Sachverhaltsaufklärung erforderlich. Dabei macht es keinen Unterschied, inwieweit es sich um ein Mandat vor dem Erbfall oder nach dem Erbfall handelt, da letztlich in beiden Fällen nur die Kenntnis über Vermögensverhältnisse, Familienverhältnisse, etwaige Vorempfänge und Güterstände eine fundierte Beurteilung unter rechtlichen Gesichtspunkten durch den Rechtsanwalt zulässt.

 

Rz. 10

So kann ohne Beurteilung der Personen- und Güterstände im Bereich der Gestaltung von Testamenten keinerlei rechtlich gesicherte Angabe zur Höhe von gesetzlichen Erbquoten bzw. daraus resultierenden Pflichtteilsquoten gemacht werden. Für Mandate nach dem Erbfall ist dies ohnehin offenkundig. Gleiches gilt für die genaue Erfassung der Vermögenssituation eines Mandanten, der den Rechtsanwalt mit der Gestaltung einer testamentarischen Verfügung beauftragt. Ohne den Umfang des Vermögens sowie die Zusammensetzung im Einzelnen zu ermitteln, können im Rahmen der Gestaltung einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen, neben der Frage der Umsetzung des Willens des Mandanten, keinerlei Gefahren im Hinblick auf steuerliche oder gesellschaftsrechtliche Besonderheiten erkannt, geschweige denn beurteilt werden. Hinzu kommen Kenntnisse zum Inhalt bereits vorliegender testamentarischer Verfügungen zur Beurteilung von testamentarischen bzw. erbvertraglichen Bindungen. Die Kenntnis von Inhalten bekannter testamentarischer Verfügungen nach Vorliegen eines Erbfalls ist dabei genauso wichtig wie Kenntnisse über ein möglicherweise bereits laufendes Erbscheinsverfahren.

 

Rz. 11

Die genaue und umfassende Sachverhaltserfassung ist daher gerade in erbrechtlichen Mandaten die maßgebliche Grundlage für eine sachgerechte und rechtlich zutreffende Beratung bzw. auch zukünftige Vertretung des Mandanten. Auch soweit sich das erste Mandantengespräch entsprechend den vom Mandanten gemachten Vorgaben auf ein erstes Beratungsgespräch i.S.v. § 34 Abs. 1 RVG beschränken soll, setzt eine rechtliche Beratung die zur Beurteilung notwendigen Sachverhaltskenntnisse voraus.

 

Rz. 12

Letztlich führt dies in erbrechtlichen Mandaten nicht selten dazu, dass bereits die Sachverhaltsaufklärung und Ermittlung der Ausgangsgrundlage sich derart umfassend und zeitaufwändig gestaltet, dass die Beratung nicht auf ein erstes Beratungsgespräch mit der daraus resultierenden Kappungsgrenze der Beratungsgebühren beschränkt werden kann. Man denke z.B. an einen zur Prüfung und anschließenden Beratung vorgelegten Grundstücksüberlassungsvertrag mit umfangreich geregelten Versorgungsrechten, Ausgleichungsanordnungen oder Regelungen zur Auszahlung weichender Geschwister und Vereinbarungen zu Erb- und/oder Pflichtteilsverzichten. Unabhängig davon, dass allein das Lesen und die Durchsicht der in diesem Überlassungsvertrag enthaltenen Regelungen bereits erhebliche Zeit in Anspruch nimmt, stellt sich die Frage, inwieweit ohne zusätzliche Informationen zu weiteren lebzeitigen Zuwendungen eine rechtlich fundierte Beratung des Mandanten bzgl. seiner etwaigen Ansprüche aus diesem Überlassungsvertrag in einem ersten Beratungsgespräch möglich ist. Auch wenn sich aus der bisherigen Rspr. und Kommentarliteratur[1] keinerlei zeitliche Begrenzung für dieses "erste Beratungsgespräch" entnehmen lässt, wird sich in einer Vielzahl der Fälle (ggf. auch im Hinblick auf den Streitwert und das damit einhergehende Haftungsrisiko des Anwalts) ergeben, dass die Beratung nicht im Rahmen eines "ersten Beratungsgesprächs" erbracht werden kann.[2] Wünscht der Mandant dennoch im Hinblick auf die Vermeidung von Gebühren lediglich ein erstes Beratungsgespräch, so zwingt dies den Rechtsanwalt zu besonderen Hinweisen hinsichtlich Umfang und Verbindlichkeit der von ihm vorgenommenen Beratung. In diesem Fall wird es als unabdingbar angesehen werden müssen, dass der Rechtanwalt den Mandanten darauf hinweist, dass er für die von ihm vorgenommene Beratung nur auf der Grundlage der anlässlich des ersten Beratungsgesprächs möglichen Sachverhaltsaufklärung "haftet". Geht die Beratung über eine Erstberatung hinaus, trifft den Rechtsanwalt ebenfalls eine Hinweispflicht.

 

Rz. 13

Aber auch wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts eine eingehendere Beratung – die über eine Erstberatung hinausgeht – zum Gegenstand hat, gelten für Verbraucher grundsätzlich die Kappungsgrenzen des § 34 Abs. 1 S. 3 RVG. Dies gilt selbst bei dem Entwurf von Testamenten. Die Gebühr für die Beratung beträgt dann höchstens 250 EUR netto, was Umfang, Schwierigkeit und Haftungsrisiko in erbrechtlichen Angelegenheiten in den seltensten Fällen angemessen ist. Der Rechtsanwalt sollte daher auf jeden Fall auf eine Vergütungsvereinbarung hinwirken.

Letztlich zwingt dies auch in den meisten Fällen dazu, nach Beendigung des Beratungsgespräches Grundlagen und Inhalt der Beratung gegenüber dem Mandanten nochmals im Rahmen eines umfassenden Schreibens darzustellen, um spätere Unklarheiten über die Grundlagen der erte...

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