Rz. 106

Gemäß § 67 OWiG ist gegen den Bußgeldbescheid innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Rechtsbehelf des Einspruchs möglich. Für die Fristberechnung gilt § 43 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG. Dies hat schriftlich oder zur Niederschrift gegenüber der den Bußgeldbescheid erlassenden Behörde zu erfolgen. Nach ständiger Rechtsprechung sind aber auch dem Schriftformerfordernis gleichwertige Übertragungen möglich, insbesondere das Telefax[226] und das Computerfax.[227] Eine E-Mail erfüllt das Formerfordernis hingegen nicht,[228] es sei denn die Behörde eröffnet diesen Weg ausdrücklich im Bußgeldbescheid.

Bis zum 31.12.2021 war die anwaltliche Einspruchseinlegung per Telefax die gängige und (aufgrund der Übermittlungsbestätigung) sicherste Möglichkeit zur Fristwahrung. Ob dies seit dem 1.1.2022 weiterhin gilt, ist derzeit umstritten:

 

Rz. 107

Gem. § 32d S. 2 StPO besteht für Rechtsanwälte die zwingende Pflicht zur elektronischen Übermittlung für die Berufung und ihre Begründung, die Revision, deren Begründung und die Gegenerklärung sowie die Privatklage und die Anschlusserklärung bei der Nebenklage. Über § 110c S. 1 OWiG ist diese Norm entsprechend auf das Ordnungswidrigkeitenverfahren anzuwenden. Fraglich ist also, ob der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid den in § 32d S. 2 StPO benannten Rechtsmitteln gleichzusetzen ist. Nach einer Ansicht wird dies bejaht, nachdem § 110a Abs. 4 OWiG auch für die Verwaltungsbehörden die elektronische Aktenführung eröffnet.[229] Die entsprechende Gesetzesbegründung zu § 32d StPO hebt hervor, dass die aufgeführten Rechtsmittel abschließend aufgezählt sind, lässt jedoch Interpretationsspielraum in beide Richtungen.[230] Gegen eine entsprechende Anwendung beim Einspruch im Bußgeldverfahren spricht jedenfalls, dass es sich bei der Aufzählung um Rechtsmittel im engeren Sinne handelt und das Strafbefehlsverfahren nicht betroffen ist. Der Einspruch gegen den Strafbefehl ist jedoch dem Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid vergleichbar – beides sind Rechtsbehelfe sui generis.[231] Daher sprechen Systematik und Wortlaut der Norm gegen die ausschließliche Einspruchseinlegung per beA.[232]

 

Rz. 108

 

Einlegung des Einspruchs per beA

Eine obergerichtliche Klärung dieser Frage bleibt abzuwarten. Bis dahin sollte ohne Not kein Risiko eingegangen werden und der Einspruch (auch) per beA eingelegt werden. Hierbei darf die Dokumentation des Zustellungsnachweises nicht vergessen werden – etwa ein Screenshot des Status im beA-Postfach.

Sofern der Einspruch doch "nur" per Fax fristwahrend eingelegt worden ist und sich im Verfahren abzeichnet, dass das Amtsgericht die Einlegung als unwirksam ansieht, sollte umgehend reagiert werden: Per beA (!) müssen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt werden und zeitgleich die versäumte Einlegung des Einspruchs formgerecht nachgeholt werden. Dem Betroffenen ist die Säumnis des Verteidigers nicht vorzuwerfen – wie gleich im nachfolgenden Kapitel erläutert wird.[233]

 

Rz. 109

Eine Unterschrift ist entbehrlich, sofern erkennbar der Einspruch vom Betroffenen selbst oder aber in seinem Auftrag eingelegt worden ist. Bei anwaltlicher Vertretung genügt bei vergessener Unterschrift selbst das Diktatzeichen.[234] Da die rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung an keine Form gebunden ist, genügt das anwaltliche Tätigwerden selbst, verbunden mit der anwaltlichen Versicherung der Bevollmächtigung.[235]

 

Rz. 110

Die Vorlage einer schriftlichen Vollmachtsurkunde ist weder erforderlich, noch ratsam.[236] Sollte die Vorlage später erforderlich sein, muss die Urkunde nicht auf den Zeitpunkt der Einspruchseinlegung datieren.[237]

 

Rz. 111

Der Einspruch ist bedingungsfeindlich.[238] Er kann jedoch auf bestimmte Beschwerdepunkte, z.B. auf die Höhe der Geldbuße oder aber auf einzelne Taten beschränkt werden, wenn in dem Bußgeldbescheid mehrere Geldbußen festgesetzt sind. Zulässig ist in jedem Fall die Beschränkung des Einspruchs auf den gesamten Rechtsfolgenausspruch einschließlich Fahrverbot.[239] Das Fehlen der Schuldform im Bußgeldbescheid steht der Wirksamkeit einer solchen Rechtsmittelbeschränkung nicht entgegen, wobei bei Verkehrsordnungswidrigkeiten in aller Regel vom Fahrlässigkeitsvorwurf auszugehen ist.[240] Die Beschränkung des Einspruchs lediglich auf das Fahrverbot ist nach herrschender Meinung unzulässig.[241]

 

Rz. 112

 

Praxistipp

Von einer Rechtsmittelbeschränkung ist allerdings grundsätzlich abzuraten. Ohne Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Verstoßes kann eine angemessene Ahndung nicht erfolgen. Bei der Höhe der Geldbuße oder der Frage, ob ein Fahrverbot zu verhängen ist, kommt es vor allem auf die vorgeworfene Tat an, etwa ob ein Regelfall vorliegt oder nicht. Es müssen so also alle Gesichtspunkte der Ordnungswidrigkeit berücksichtigt werden. Wird das Rechtsmittel auf die Höhe der Geldbuße oder generell auf die Rechtsfolgen einschließlich Fahrverbot beschränkt, erwächst die Tat bzw. der Sachverhalt in Teilrechtskraft. Das Gericht kann so grundsätzlich nicht mehr na...

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