Rz. 115
Wurde die Frist zur Einlegung des Einspruchs ohne eigenes Verschulden des Betroffenen versäumt, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt werden, § 52 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 44 ff. StPO. Dies gilt entsprechend auch für alle anderen gesetzlichen bzw. richterlichen Fristen im Ordnungswidrigkeitenverfahren, insbesondere wenn die rechtzeitige Einlegung der Rechtsbeschwerde versäumt worden ist oder der Betroffene nicht zur Hauptverhandlung erschienen ist. Aber auch die versäumte Frist zur Beantragung der Wiedereinsetzung selbst kann auf Antrag in den vorigen Stand zurückversetzt werden.[245]
Rz. 116
Entscheidend ist, dass hiervon nur die schuldlose Säumnis erfasst wird, d.h. der Betroffene muss die ihm gebotene Sorgfalt beachtet haben.[246] Dies ist großzügig zu handhaben.[247] Insbesondere darf ein Betroffener erwarten, dass ein beauftragter[248] Anwalt die gesetzlichen Fristen einhält. Daher wird ihm ein Verschulden seines Verteidigers grundsätzlich auch nicht zugerechnet,[249] es sei denn, er hat positive Kenntnis von der Unzuverlässigkeit seines Verteidigers.[250] Zwischenzeitlich sollte sich die anwaltliche Übermittlungsverpflichtung bereits herumgesprochen haben. Sofern ein Verteidiger dennoch die Rechtsbeschwerde per Fax einreichen sollte, ist auch hier an einen Wiedereinsetzungsantrag zu denken.[251]
Rz. 117
Richtiger Adressat ist das Gericht bzw. die Behörde, welche bei Einhaltung der Frist mit der Sache befasst wäre, § 52 Abs. 2 OWiG i.V.m. § 46 StPO. Der Antrag ist schriftlich innerhalb einer Woche zu stellen, § 46 Abs. 1 StPO. Wichtig ist, dass laut § 46 Abs. 2 StPO innerhalb dieser Frist die versäumte Handlung nachzuholen ist. Zusätzlich sind die Gründe für die unverschuldete Säumnis glaubhaft zu machen, wobei dies auch nach der Wochenfrist nachgeholt werden kann.[252]
Rz. 118
Denken Sie daran, dass Ihr Schreiben zwei bzw. drei Anträge zu enthalten hat:
Wird also erkannt, dass eine gesetzliche Frist i.S.d. § 44 StPO verpasst worden ist, gilt es zunächst zu prüfen, inwiefern der Betroffene daran schuldlos ist.
Sodann ist der versäumte Antrag zusammen mit einem Wiedereinsetzungsantrag erneut zu stellen. Hierzu ist die versäumte Frist zu benennen und die die Säumnis begründenden Umstände sowie der Zeitpunkt des Wegfalls dieser Umstände sind vorzutragen. Diese sind möglichst sofort glaubhaft zu machen, um die Wiedereinsetzung zu beschleunigen.
Im Falle eines drohenden Fahrverbotes sollte gleichzeitig Vollstreckungsaufschub beantragt werden, da der Wiedereinsetzungsantrag die Vollstreckung des Bußgeldbescheides nicht hemmt, § 52 Abs. 2 OWiG i.V.m. § 307 StPO. Der Mandant ist daher auch zeitgleich darüber aufzuklären, dass er – zumindest vorläufig – kein Kfz führen darf und den Führerschein abgeben muss.
Selbstverständlich ist der Antrag vorsorglich per Telefax zu verschicken. Es empfiehlt sich hierbei, zusätzlich telefonisch mit der entscheidenden Stelle Kontakt aufzunehmen, die Dringlichkeit darzulegen und um eine schnelle Entscheidung zu bitten.
Rz. 119
Wird der Antrag von der Behörde verworfen, kann gem. §§ 52 Abs. 2 S. 3, 62 OWiG binnen zwei Wochen eine gerichtliche Entscheidung gefordert werden. Bei einer Verwerfung durch das Gericht ist sofortige Beschwerde zum Landgericht zulässig, § 46 Abs. 3 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG. Wird hingegen Wiedereinsetzung gewährt, wird das Verfahren zurück in den Stand vor der Fristversäumung gesetzt.
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