Rz. 46

Hierbei gilt es abzugrenzen, ob der Täter von der Behörde schon klar individualisierbar ist oder aber noch ermittelt werden muss, mithin also eine Zeugenbefragung oder eine Anhörung bzw. Vernehmung i.S.d. § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG erfolgte. Insbesondere wenn Halter und Fahrer offensichtlich nicht identisch sind, erfolgen zunächst Ermittlungshandlungen. Hiermit werden oft die örtlichen Polizeidienststellen beauftragt. Nach dem oben Gesagten ist nunmehr zu prüfen, inwiefern bereits der Auftrag der Behörde oder aber erst die polizeiliche Maßnahmen die Verjährung unterbrechen – wann also die Individualisierung des Fahrers erfolgt ist.[95] Regelmäßig geht es hierbei um Kennzeichenanzeigen. Insoweit wird sich regelmäßig bei der Befragung des Halters ein hinreichender Tatverdacht auf dessen Fahrereigenschaft ergeben. Damit liegen eine verfahrensunterbrechende Anhörung und bei unterbliebener Belehrung auch ein Beweisverwertungsverbot vor.[96]

 

Praxistipp

Können Polizeibeamte bei Firmenfahrzeugen den verdächtigten Fahrer vor Ort nicht antreffen, übergeben sie den Anhörbogen häufig anderen Mitarbeitern. Hierbei handelt es sich nur dann um eine Ersatzzustellung gem. §§ 178 ff. ZPO, wenn es sich um die Geschäftsräume des Betroffenen selbst handelt.[97]

Mangels klarer Individualisierung ist der Zeugenfragebogen nicht geeignet, die Verjährung zu unterbrechen. Vielmehr handelt es sich gerade um eine Maßnahme, um den Betroffenen zu ermitteln. Der Bogen wird regelmäßig auf dem einfachen Postwege verschickt, mithin gibt es keine Zustellungsnachweise.

 

Rz. 47

 

In diesem Verfahrensstadium ist eine Vertretungsanzeige nur bedingt sinnvoll

Ob auf einen Zeugenfragebogen hin reagiert werden soll, hängt vom Einzelfall ab. Der Mandant ist jedenfalls über wahrscheinliche weitere Ermittlungen und unangekündigte Besuche der Polizei zu beraten und über das Einlassungsverhalten der Familienmitglieder. Auch ist die Möglichkeit der Fahrtenbuchauflage unter Berücksichtigung der regionalen behördlichen Handhabung zu thematisieren. Hier gilt es abzuwägen, wie und ob die Einlassung erfolgen soll.
Akteneinsicht gibt es beim Zeugenfragebogen nicht, erst beim Anhörungsbogen. Wenngleich die Akteneinsicht für eine effektive Verteidigung unabdingbar ist, gilt es hinsichtlich der laufenden Fristen abzuwägen, wann diese beantragt wird. Der Rechtsanwalt ist für behördliche Maßnahmen auch empfangsbevollmächtigt.
Eine Deckungsanfrage anhand eines Zeugenfragebogens macht mangels konkreten Tatvorwurfes keinen Sinn. Erst mit Vorlage des Anhörungsbogens wird die Rechtsschutzversicherung hier Deckung gewähren.
[95] Krenberger/Krumm, OWiG, 7. Aufl. 2022, § 33 Rn 16 m.w.N.
[96] LG Duisburg, Beschl. v. 13.7.2018 – 35 Qs 38/18, Rn 2, juris = zfs 2018, 713; OLG Bamberg, Beschl. v. 27.8.2018 – 2 Ss OWi 973/18, Rn 9, juris m.w.N. = StraFo 2019, 111, 112.
[97] AG Darmstadt, Urt. v. 23.11.1999 – 241 OWi 58 Js 57639/99, juris = zfs 2000, 225; vgl. hierzu auch Burhoff, in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 6. Aufl. 2021, Rn 4317 ff. m.w.N.

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