Rz. 212

Eine Rücknahme des Einspruchs ist bis zum Erlass der gerichtlichen Entscheidung jederzeit möglich, auch innerhalb der Hauptverhandlung. Hier bedarf es gem. § 75 Abs. 2 OWiG keiner Zustimmung der Staatsanwaltschaft, wenn diese an der Hauptverhandlung nicht teilgenommen hat. Probleme gibt es allerdings, wenn das Gericht das Verfahren aussetzt und so Gelegenheit gibt, innerhalb der nächsten Monate oder Wochen den Einspruch zurückzunehmen und das Fahrverbot zu einer dem Betroffenen angenehmeren Zeit zu "nehmen".

 

Rz. 213

Aus § 75 Abs. 2 OWiG ergibt sich nämlich, dass in einem derartigen Fall, wenn also der Einspruch außerhalb der Hauptverhandlung zurückgenommen wird, die Zustimmung der Staatsanwaltschaft eingeholt werden muss.[478] Das Erfordernis der Zustimmung hat zur Konsequenz, dass bis zu der Erteilung der Zustimmung ein Schwebezustand besteht, erst mit der Erteilung der Zustimmung ist die Rücknahme des Einspruchs wirksam. Der Zustimmungserklärung der Staatsanwaltschaft kommt keine Rückwirkung zu, der Verteidiger ist also in einem solchen Fall nicht sicher, zu welchem Zeitpunkt der Bußgeldbescheid und damit das Fahrverbot rechtskräftig werden.

 

Praxistipp

Es empfiehlt sich deshalb für den Verteidiger dringend den Zustimmungszeitpunkt mit der Staatsanwaltschaft abzusprechen und erst dann den Betroffenen zu veranlassen, den Führerschein in Erfüllung des Fahrverbots in Verwahrung zu geben. Ansonsten besteht die Gefahr, dass der Führerschein länger als das ausgesprochene Fahrverbot einbehalten wird, da die Frist erst ab Rechtskraft, also ab Zustimmung der Staatsanwaltschaft zu laufen beginnt.

 

Rz. 214

Ist in zwei Jahren vor der Ordnungswidrigkeit ein Fahrverbot gegen den Betroffenen nicht verhängt worden und wird auch bis zur Bußgeldentscheidung ein Fahrverbot nicht verhängt (es kommt auf die Rechtskraft an),[479] so bestimmt gem. § 25 Abs. 2a S. 1 StVG die Bußgeldbehörde oder das Gericht, dass das Fahrverbot erst wirksam wird nach Ablauf einer Frist von vier Monaten ab Rechtskraft der Entscheidung. Innerhalb dieser Viermonatsfrist kann frei gewählt werden, zu welchem Zeitpunkt der Führerschein abgegeben wird. Eine Voreintragung im Verkehrszentralregister mit Fahrverbot darf bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 25 Abs. 2a StVG nicht berücksichtigt werden, wenn sie schon tilgungsreif ist.[480]

 

Rz. 215

Unbedingt zu beachten ist, dass seit dem 17.8.2017 die sog. Parallelvollstreckung abgeschafft worden ist, um die Privilegierung von Mehrfachtätern zu unterbinden.[481] § 25 Abs. 2a S. 2 StVG ist weggefallen und der neu eingefügte § 25 Abs. 2b StVG ordnet nunmehr eindeutig an, dass mehrere Fahrverbote immer hintereinander weg zu vollstrecken sind.

 

Wichtig!

Hier ist die Reihenfolge des § 25 Abs. 2b S. 2, 3 StVG zwingend einzuhalten. Der Verteidiger muss also besonders darauf achten, bei welcher Behörde der Führerschein zuerst in Gewahrsam gegeben wird. Der Verbleib des Führerscheins bei der falschen Behörde kann nicht auf das Fahrverbot angerechnet werden.

Sämtliche betroffenen Behörden sind wechselseitig über die anstehenden Zeiträume zu unterrichten, um eine nahtlose Anknüpfung zu ermöglichen.

 

Rz. 216

Wenn das Amtsgericht die Anordnung über den Beginn der sich aus § 25 Abs. 2a StVG ergehenden Viermonatsfrist unterlässt, kann die Rechtsbeschwerde wirksam darauf beschränkt werden.[482] Danach sollte die Formulierung lauten: "Das Fahrverbot wird wirksam, sobald der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten nach Eintritt der Rechtskraft".

 

Rz. 217

Wenn der Betroffene seinen Führerschein vor Rechtskraft des Fahrverbots verloren hat, ist fraglich, wann die Verbotsfrist des § 25 Abs. 5 S. 1 StVG beginnt. Der Eintritt der Rechtskraft des Fahrverbots dürfte zu kurz greifen;[483] ohne den Verlust hätte der Betroffene den Führerschein erst noch übermitteln müssen. Der Zeitpunkt der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung[484] erfolgt im Rahmen eines Verfahrens nach § 463b StPO, welches der Betroffene nicht beeinflussen kann. Zielführend ist es aus den o.g. Gründen, auf den Zeitpunkt des Eingangs der schriftlichen Verlustmitteilung abzustellen.[485]

 

Praxistipp

Vorsorglich ist dem Mandanten zu empfehlen, zusammen mit der Verlustanzeige eine eidesstattliche Versicherung beizufügen.

Die Mitteilung des Verlustes muss gegenüber der Vollstreckungsbehörde oder dem Gericht erfolgen.[486]

[478] Göhler/Seitz/Bauer, OWiG, 18. Aufl. 2021, § 75 Rn 8.
[479] BayObLG, Beschl. v. 17.7.1998 – 2 ObOWi 242/98, juris = VRS 96, 69 = NZV 1999, 59 = NStZ-RR 1999, 59; BGH, Beschl. v. 29.6.2000 – 4 StR 40/00, BGHSt 46, 88–93 = DAR 2000, 482 = NJW 2000, 2685.
[480] OLG Dresden, Beschl. v. 1.11.2005 – Ss (OWi) 562/05, juris = DAR 2006, 161.
[481] BT-Drucks 18/11272 v. 22.2.2017.
[482] OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.8.1998 – 2 Ss (OWi) 289/98 – (OWi) 85/98 III, juris = NZV 1999, 178 = DAR 1999, 38.
[483] So aber: LG Hamburg, Beschl. v. 18.2.2003 – 603 Qs 86/03, juris = DAR 2003, 327...

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