Rz. 163
Der weitaus häufigste Zulassungsgrund in der Praxis ist die Versagung des rechtlichen Gehörs gem. § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG. Hiermit soll das Bundesverfassungsgericht entlastet werden bzgl. der Beschwerde, dass Art. 103 Abs. 1 GG verletzt sein soll.[341] Eine analoge Erweiterung auf andere Rechtsverletzungen ist nicht möglich.[342]
Achtung!
Bislang ist die Zulassung bei Versagung des rechtlichen Gehörs nicht an eine Wertgrenze gekoppelt. Bereits 2020 wurde ein Gesetzesentwurf zur Effektivierung des Bußgeldverfahrens vom Land Hessen vorgelegt (BT-Drucks 107/20 vom März 2020). Danach sollte die Zulassung der Rechtsbeschwerde ab einer Geldbuße von mehr als 100 EUR möglich sein; unter 100 EUR würde nach § 80a OWiG-E die Möglichkeit einer Gehörsrüge eingeräumt, wonach das erstinstanzliche Verfahren fortzusetzen sei – vergleichbar § 321a ZPO. Der Rechtsausschuss hatte hiergegen keine Bedenken, die Bundesregierung war dagegen (BT-Drucks 19/21611, 33). Letztlich wurde der Gesetzesvorschlag auch insgesamt abgelehnt.
Nunmehr haben im Jahr 2022 Hessen und Nordrhein-Westfalen erneut einen in weiten Teilen gleichlautenden Gesetzesentwurf eingereicht (BT-Drucks 20/1545). Die Bundesregierung hat diese Systematik hingegen erneut – zutreffend – als systemfremd abgelehnt (Anl. 2 zu BT-Drucks 20/1545, 32). Ob diese Gesetzesänderung beschlossen wird, bleibt abzuwarten.
Rz. 164
Dem Betroffenen wird das rechtliche Gehör versagt, wenn ihm keine Möglichkeit eingeräumt wurde, sich zu allen entscheidungserheblichen und ihm nachteiligen Sachen und Beweisergebnissen zu äußern.[343] Zusätzlich muss die Entscheidung des Amtsgerichts aber gerade auch auf dem unterbliebenen rechtlichen Gehör beruhen. Dies muss in der Rechtsbeschwerde unter Beachtung der strengen Formerfordernisse – hierzu sogleich – vorgetragen werden. Ansonsten wird die Rechtsbeschwerde allein aufgrund von Formerfordernissen als unzulässig verworfen.
Rz. 165
So stellen bspw. abgelehnte Beweisanträge eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG dar, sofern die Begründung der Ablehnung offensichtlich nicht zum Beweisantrag passt.[344] Ebenso ist dem Betroffenen die Möglichkeit verwehrt, sich mit weiteren Anträgen zu verteidigen, wenn ihm der – offensichtlich nicht unzulässige – gestellte Beweisantrag in der Hauptverhandlung nicht verbeschieden wird.[345] Auch Überraschungsentscheidungen sind hiervon erfasst, mit denen der Betroffene nicht ohne vorherigen richterlichen Hinweis rechnen musste.[346]
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