Unfall auf einem Kindergartenfest gesetzlich unfallversichert

Ein vierjähriges Kind hatte sich während eines Kindergartenfestes den Arm gebrochen, als es unbeaufsichtigt im Garten der Kindertagesstätte spielte. Stand es dabei unter dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung?

Wie bei einem Arbeitsunfall geschützt durch die gesetzlichen Unfallversicherung

  • sind neben Schüler und Studierende in Schulen und Hochschulen
  • und Personen in der beruflichen Aus- und Fortbildung

auch Kinder, die in Kindertageseinrichtungen oder durch geeignete Tagespflegepersonen betreut werden. Bei Veranstaltungen der Kindertagesstätten stehen die Kinder allerdings nur unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn sie die Obhut der Einrichtung noch nicht verlassen haben.

Im fraglichen Fall hatte es die beklagte gesetzliche Unfallversicherung allerdings abgelehnt, den Unfall des Kindes als Arbeitsunfall anzuerkennen. Begründung: Zum Zeitpunkt des Unfalls sei die Aufsichtspflicht bereits auf die Mutter des Kindes übergegangen. Diese sah das anders.

Fest mit Elternbeteiligung im Garten des Kindergartens

Die Mutter hatte ihr vierjähriges Kind um 16 Uhr offiziell aus seiner Gruppe im Kindergarten abgeholt. Mutter und Kind gingen dann durch den Hintereingang in den Garten des Kindergartens, um an dem dort stattfindenden Kinderfest teilzunehmen, unter anderem mit einem eigens dafür engagierten Clown.

  • Eine Viertelstunde nach dem angekündigten Ende des Festes stürzte das unbeaufsichtigte Kind vom Klettergerüst im Garten,
  • während die Mutter am Ausgang des Kindergartens auf den Kleinen wartete.

In der Satzung des Kindergartens steht, dass bei Veranstaltungen mit Elternbeteiligung die Aufsichtspflicht den Erziehungs- oder Personensorgeberechtigten obliegt.

Fest war zum Zeitpunkt des Unfalls noch nicht beendet

Die Kläger begründeten ihren Anspruch gegen die Unfallversicherung damit, dass das Fest noch nicht beendet gewesen sei, weil sich noch viele Kinder und Eltern im Garten befanden und auch noch Bratwürste verkauft worden seien.

Bei wem lag die Obhutspflicht zum Zeitpunkt des Unfalls?

Das Sozialgericht Leipzig hat entschieden, dass weder ein Arbeitsunfall noch ein Wegeunfall des Kindes vorliegen. Grundsätzlich seien Kinder zwar auch während des Besuchs einer Kindertagesstätte gesetzlich unfallversichert. Ob bei Unfällen aber tatsächlich ein Anspruch gegen die gesetzliche Unfallversicherung geltend gemacht werden könne, hänge entscheidend davon ab, bei wem zum Unfallzeitpunkt die Obhutspflicht lag. Zur Obhutspflicht führte das Gericht aus:

  • Schutz in der gesetzlichen Unfallversicherung bestehe nur, solange das Kind sich in der Obhut der Tagesstätte befinde.
  • Die umfassende Obhutspflicht der Kindertagesstätte ende, sobald die Kinder die Einrichtung erlaubt verließen.
  • Mit der Abholung durch seine Mutter habe der Vierjährige die Obhut der Tagesstätte verlassen.

Dadurch, dass das Fest auch für Externe offen war und eine Zugangsmöglichkeit in den Garten durch den Hintereingang bestand, ergebe sich eine so deutliche Zäsur, dass die Eltern nicht mehr von einer fortbestehenden Obhutspflicht der Kindertagesstätte ausgehen konnten.

Gericht sah auch keinen Wegeunfall

Ebenso schloss das Gericht das Vorliegen eines Wegeunfalls aus. Denn der versicherte Weg von und zur Tagesstätte beginne und ende an der Außentür der Einrichtung.

(SG Leipzig, Urteil v. 27.02.2018, S 23 U 168/17).


Hintergrund:

Wer steht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung?

In vielen anderen Fällen, manchmal wenig bekannt, besteht ebenfalls ein Schutz:

  • Etwa, wenn jemand sich nicht für den Arbeitgeber, sondern für die Allgemeinheit oder jemanden in einer Notlage anstrengt oder gefährdet, z. B. in einem Notfall oder im Ehrenamt,
  • dabei aber persönlich zu Schaden kommt.

Geschützt sind ohne Rücksicht auf Alter, Staatsangehörigkeit oder Einkommen folgende Personengruppen:

Bei der Arbeit:

  • Versichert sind zunächst die Berufstätigen im Rahmen ihrer Arbeit: Arbeitnehmer und Auszubildende, erfasst wird dabei auch der Hin- und Rückweg.
  • Das betrifft auch Personen, die selbständig, als mitarbeitende Familienangehörige oder als abhängig Beschäftigte in der Landwirtschaft arbeiten.
  • Auch Unternehmer können sich freiwillig versichern, wenn sie nicht schon - wie in einigen Branchen - durch Gesetz oder Satzung pflichtversichert sind.

Im Interesse der Allgemeinheit aktiv:

Wer im Interesse der Allgemeinheit tätig wird, steht ebenfalls unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung:

  • z.B. Mitarbeiter in Hilfsorganisationen,
  • Lebensretter,
  • Blutspender,
  • Zeugen und Schöffen,
  • ehrenamtlich tätige Personen und Unglückshelfer.

Kita, Kindergarten, Schule und Uni:

Geschützt sind auch

  • Kinder, die in Kindertageseinrichtungen oder durch geeignete Tagespflegepersonen betreut werden,
  • Schüler und Studierende in Schulen und Hochschulen
  • sowie Personen in der beruflichen Aus- und Fortbildung.

Außerdem sind geschützt:

  • Pflegepersonen
  • Arbeitslose, wenn sie auf Aufforderung der Arbeitsagentur die Agentur oder eine andere Stelle aufsuchen
  • Personen in der Rehabilitation (z.B. Krankenhausaufenthalt)

Schon der Personenkreis und die Sachverhalte sind reichlich unübersichtlich, kein Wunder, dass dies auch für die Rechtsprechung gilt: