Wann Krankenversicherungen für neue Untersuchungsmethoden zahlen müssen
Ein Rentner war wegen eines Prostatakarzinoms mit Chemotherapie in den Jahren 2013 bis 2015 behandelt worden. Im Rahmen einer stationären Nachsorge ließ er dann 2015 und 2016 jeweils ein PET-CT durchführen. Dabei werden Positronen-Emissions-Tomographie und die Computertomographie miteinander kombiniert. 2017 empfahlen die Ärzte erneut eine PET-CT, um festzustellen, ob sich neue Metastasen im Bereich der Prostata gebildet hatten.
Krankenkasse: neue Untersuchungsmethode PET-CT nicht erstattungsfähig
Der erkrankte Rentner ließ die Untersuchung 2017 durchführen. Die gesetzliche Krankenversicherung, bei der er versichert war, weigerte sich, die Kosten zu übernehmen. Begründung: Bei dem Krankheitsbild des Mannes sei die PET-CT als „neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode“ zu klassifizieren und damit nicht erstattungsfähig. Bei der Untersuchung handele es sich um eine Leistung außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung.
PET-CT zur Einschätzung des Ausmaßes der Krebserkrankung
Dass es sich bei der Behandlungsmaßnahme PET-CT bei Prostatakarzinom zum Staging (Einschätzung des Ausmaßes der jeweiligen Krebserkrankung), so wie im vorliegenden Fall, um eine „neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode“ im Sinne des § 135 SGB V handelte, war vor Gericht unstreitig.
Das Sozialgericht Karlsruhe kam dennoch zu der Einschätzung, dass der Mann einen Anspruch gegen die Krankenversicherung auf Erstattung der Kosten hat.
Leistungsanspruch besteht wegen lebensbedrohlicher Erkrankung
Der Mann könne sich auf § 2 Abs. 1a SGB V berufen, so das Gericht. Danach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.
Im Einzelnen führte das Gericht aus:
Der vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Anspruch von Versicherten auf ärztliche Behandlung mit nicht allgemein anerkannten Methoden, die durch den zuständigen G-BA (Gemeinsamer Bundesausschuss) bisher nicht anerkannt sind, setze eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung voraus (BSG, Urteil v. 04.04.2006, B 1 KR 12/04; Urteil v. 16.12.2008, B 1 KR 11/08 R).
Untersuchungsanlass: Trotz Therapiemaßnahmen gab es erhöhte Antigen-Werte
Der behandelnde Urologe hatte die Durchführung der Untersuchung empfohlen, nachdem trotz der vorangegangenen Therapiemaßnahmen weiterhin ein erhöhter Wert des Prostata spezifischen Antigens (PSA) vorlag, weil dieser erhöhte Wert es vermuten lasse, dass ein lokaler Rezidivtumor oder weitere Lymphknoten- oder Fernmetastasen vorlägen. Liege eine positive Metastasierung in Lymphknoten oder anderen Organen jedoch erst einmal vor, sei der Krebs in der Regel nicht mehr heilbar.
- Wäre die Untersuchung bei dem Mann unterblieben, dann wäre weiter ungewiss gewesen, ob das Prostatakarzinom ungesehen nur lokale Metastasen gebildet oder schon in andere Körperregionen und Organe gestreut hat.
- Wenn bei einem an Prostatakarzinom erkranktem Versicherten trotz angestiegenem PSA-Wertes eine PET-CT nicht zeitnah durchgeführt werde, könne dies zu einem irreparablen Schaden und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Tod des Patienten führen.
Prostatakarzinom immer lebensbedrohlich – außer im Frühstadium
Ein Prostatakarzinom in jedem anderen Stadium als dem Frühstadium könne damit grundsätzlich eine lebensbedrohliche Erkrankung sein. Dies genüge im Bereich nicht vertraglich anerkannter Untersuchungsmethoden, die zum Staging eingesetzt werden. Eine Vermutung, dass bei einem unbekannten Krebsstadium stets von einem grundsätzlich nicht lebensbedrohlichen Frühstadium ausgegangen werden muss, sei dem Regelungssystem des SGB V fremd und lasse sich auch nicht aus § 2 Abs. 1a SGB V entnehmen.
(SG Karlsruhe, Urteil v. 11.10.2019, S 9 KR 795/18).
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Norm: § 2 SGB V Gesetzliche Leistungen
(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.
(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.
(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.
(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.
(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.
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