Depression verschwiegen – Versicherung muss trotzdem zahlen

Wer Gesundheitsfragen beim Abschluss eines Versicherungsvertrags falsch beantwortet, kann leicht seinen Versicherungsschutz verlieren. Doch nicht immer führen falsche Antworten zu so drastischen Konsequenzen.

Die Beantwortung von Gesundheitsfragen gehört zu den ganz heiklen Themen im Versicherungsbereich. Gerade bei Kranken- und Berufsunfähigkeitsversicherungen müssen künftige Versicherungsnehmer über viele Jahre Auskünfte zu früheren Krankheiten, Verletzungen und Arztbesuchen geben. Dass da schnell einmal die eine oder andere Krankheit vergessen wird, ist kein Wunder.

Doch was passiert, wenn sich herausstellt, dass der Versicherungsnehmer die Gesundheitsfragen unvollständig oder falsch beantwortet hat, der Versicherte also gegen seine Anzeigepflicht nach § 19  I VVG verstoßen hat? Je nach Sachlage hat die Versicherung die Möglichkeit, den Vertrag anzufechten oder bei arglistiger Täuschung des Versicherungsnehmers vom Vertrag zurückzutreten.

Depression verschwiegen

Dass falsche Angaben des Versicherungsnehmers nicht zwangsläufig zu einer der genannten Folgen führen, zeigt ein Urteil des OLG Stuttgart. In dem Fall hatte die klagende Versicherungsnehmerin, die vier Jahre lang wegen einer Depression bei einer Nervenärztin zur Behandlung war, verneint, innerhalb der letzten fünf Jahre Beschwerden, Störungen, Krankheiten oder Vergiftungen gehabt zu haben. Gefragt wurde nicht nur nach organischen Beschwerden an Herz, Kreislauf-, Atmungs- und Verdauungsorganen. Ebenso erwähnt wurden auch Gehirn und Psyche.

Als die Versicherungsnehmerin wegen Rückenproblemen Leistungen aus ihrer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung beanspruchte, lehnte die Versicherung das ab. Bei der Leistungsprüfung hatte sie nämlich erfahren, dass die Frau sich in nervenärztlicher Behandlung befunden hatte und medikamentös mit Antidepressiva behandelt worden war. Die Versicherung erklärte daraufhin die Anfechtung der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung wegen arglistiger Täuschung sowie den Rücktritt vom Vertrag.

OLG sieht keine arglistige Täuschung

Das LG Stuttgart hatte der Versicherung noch Recht gegeben, nicht so das OLG Stuttgart in der Berufung. Zwar erkannte auch das OLG, dass die Klägerin ihre Depression und die damit verbunden Behandlung nicht offengelegt hatte. Eine arglistige Täuschung könne der Frau dennoch nicht nachgewiesen werden, so das Gericht. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH setzt eine arglistige Täuschung eine Vorspiegelung falscher Tatsachen oder ein Verschweigen wahrer Tatsachen gegenüber dem Versicherer voraus und zwar zum Zwecke der Erregung oder der Aufrechterhaltung eines Irrtums. Der Versicherungsnehmer muss dabei vorsätzlich handeln, indem er bewusst oder willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt.

Gesundheitsfragen nicht ausreichend klar vorgelesen

Falsche Angaben in einem Versicherungsvertrag allein rechtfertigten den Schluss auf eine arglistige Täuschung nicht, so das OLG. Der Frau kam dabei zu Gute, dass ihr die lange Liste der Gesundheitsfragen von einer Versicherungsvertreterin ziemlich schnell und in einem Zug vorgelesen worden waren. Der Versicherungsnehmerin sei es deshalb nicht möglich gewesen, der Vertreterin so zu folgen, dass sie Punkt für Punkt den Erklärungsgehalt aller 30 genannten Erkrankungen erfassen konnte, argumentierte das OLG. Da die Antragsfragen nach Auffassung des Gerichts nicht ordnungsgemäß gestellt worden waren, stellt sich die Frage eines arglistigen Verhaltens nicht, so das Gericht.

Versicherung darf vom Vertrag nicht zurücktreten

Der Rücktritt der Versicherung vom Vertrag ist ebenfalls nicht zulässig. Da der Klägerin die Gesundheitsfragen nicht ausreichend klar vorgelesen worden waren, war sie auch nicht verpflichtet, ihre Depressionserkrankung anzuzeigen. Ein Verschulden nach § 16 Abs. 3 VVG a. F. sei deshalb auszuschließen.

(OLG Stuttgart, Urteil v. 19.04.2012, 7 U 157/11)