Ein Stück neue Normalität
Mit zweieinhalbmonatiger Verspätung fand er nun doch statt: Der Personalmanagementkongress (PMK) des Bundesverbandes der Personalmanager (BPM). Nicht wie geplant als Großveranstaltung mit 1.500 Besuchern und ausgelassener "Nacht der Personaler", sondern als Hybridveranstaltung mit strengem Hygienekonzept, limitierter Teilnehmerzahl vor Ort und Live-Übertragung im Netz. Eine mutige Entscheidung, die der Verband bereits früh in der Pandemie traf und dafür (auch vom Personalmagazin) Kritik einstecken musste. Gleichzeitig aber auch ein Statement: Es muss weitergehen! "HR lebt von der persönlichen Begegnung. Ohne geht es nicht", sagte die BPM-Präsidentin Inga Dransfeld-Haase, die ein turbulentes erstes Amtsjahr erlebte. Der Kongress bildete den Abschluss der neuen PMK Academy, einer digitalen Lernreise aus 29 interaktiven Live-Sessions, die Mitte August 2020 begann.
PMK 2020: Personaler treffen mutige Entscheidungen in der Krise
"Es tut gut, dass wir uns alle wiedersehen", begrüßte Dransfeld-Haase die Teilnehmer im Kuppelsaal des Berlin Congress Center. Ihre Rede - selbstbewusst und optimistisch - schien Ausdruck des neuen, aus der Krise erwachsenen Selbstverständnisses von HR. Sie lobte die Verantwortung, die Personaler in ihren Unternehmen übernommen hätten, die mutigen Entscheidungen, die getroffen worden seien, obwohl die Faktenlage häufig unklar gewesen sei. "Wir haben entschieden, statt abzuwarten. Das sollten wir beibehalten. Denn Mut steht uns gut zu Gesicht", resümierte sie die bisherigen Erfahrungen aus der Krise.
Verbandsarbeit läuft jetzt agil
Ausdrücklich lobte sie die Verbandsarbeit in den Monaten der Pandemie. Statt monatlich in Präsenz trifft sich das Präsidium inzwischen wöchentlich virtuell. Agiles Arbeiten sei plötzlich keine Option mehr gewesen, sondern eine Notwendigkeit geworden – und sei inzwischen nicht mehr wegzudenken. Trotz oder vielleicht gerade wegen der Herausforderungen in ihren Unternehmen, sei das Bedürfnis der Verbandsmitglieder, sich untereinander auszutauschen und voneinander zu lernen, so groß wie. Und so macht es den Eindruck, als ginge der BPM gestärkt aus der Krise hervor. Nach dem Vorjahresmotto "Purpose & Prepare" gab Dransfeld-Haase für 2020 die Losung "Evaluate, Engage, Explore" aus (deutsch: bewerten, engagieren, erkunden).
Corona und die Folgen als zentrales Thema
Das Programm an beiden Veranstaltungstagen war geprägt von Krisenthemen wie Resilienz, Risikomanagement und Workforce Transformation sowie Trendthemen wie Employer Branding, lebenslangem Lernen beziehungsweise Weiterbildung und künstliche Intelligenz. Fallstudien wechselten sich mit Studienpräsentationen, Impulsvorträgen und Diskussionsrunden ab. Das inhaltliche Niveau der Beiträge reichte von oberflächlich bis tiefgründig – und kam bei den Zuhörern überwiegend gut an.
Vereinzelt wurde der Wunsch nach etwas mehr inhaltlicher Substanz laut. Insgesamt aber überwog die Dankbarkeit der Teilnehmer, dass der Verband und die Quadriga Hochschule nach langer Zeit des rein virtuellen Austausches wieder eine Möglichkeit zur persönlichen Begegnung geschaffen hatten. Zwar erschwerten Mund-Nasen-Bedeckung, Abstandsregeln sowie die gelernte Zurückhaltung der vergangenen Monate das Netzwerken, doch sicherlich gehört auch das zum Lernprozess auf dem Weg zur neuen Normalität. Moderator Hajo Schumacher sagte: "Wir können stundenlang über den Sinn der Masken diskutieren oder sie einfach tragen und uns darüber freuen, dass sie uns ein Stück Alltag zurückgeben."
Zum Alltag dürfte künftig auch das hybride Veranstaltungsformat zählen. Denn die Mischung aus Networking- und Netz-Event vereint die Vorteile der persönlichen und virtuellen Teilnahme. So mancher Speaker muss sich darauf noch einstellen, obwohl überladene Powerpoint-Präsentationen und eine monologartige Vortragsweise sicherlich schon vor Corona nicht die beste Idee waren. Nach Monaten virtueller Events zeigten sich jedoch auch die Vorteile einer Präsenzveranstaltung: Die Beziehung zum Referenten, die Aufnahmebereitschaft der Zuhörer und die soziale Interaktion im Publikum. Ein Browserfenster wegzuklicken ist doch etwas anderes, als den Saal zu verlassen.
Christian Lindner fordert Bildungsgarantie
Kritische Töne schlug Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP, an, der die Keynote des kurzfristig verhinderten Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) übernahm. Es sei gut, dass die Veranstaltung stattfinde, so Lindner. Denn die zwischenmenschliche Begegnung ließe sich nicht digitalisieren. Gleichzeitig übte er Kritik an den Corona-Maßnahmen: Rückblickend sei es dumm gewesen, das Land stillzulegen. Deshalb müsse bei einer zweiten Welle mit intelligenten Maßnahmen reagiert werden. Einen zweiten Lockdown könne sich Deutschland mit Blick auf soziale und wirtschaftliche Schäden nicht leisten. Niemals mehr dürfe der Staat Familien und Kinder so sehr im Stich lassen wie während der Pandemie, so Lindner. Dafür gab es Szenenapplaus.
Als Konsequenz forderte Lindner eine Bildungsgarantie und äußerte Zweifel, ob die Milliardenausgaben für die Senkung der Mehrwertsteuer nicht besser in die Digitalisierung und Modernisierung der Schulen investiert worden wären. Es brauche künftig einen Fokus auf Bildung und Betreuung. Homeoffice und Homeschooling könnten nicht die Lösung sein. Deshalb sei er nicht nur gegen ein Recht auf Homeoffice (Unternehmen und Betriebsräte könnten dieses sehr wohl selbst aushandeln), sondern warnte auch vor einer gesellschaftlichen Spaltung. Wenn sich die Privilegierten zunehmend ins Homeoffice zurückzögen, verlören Unternehmen als integrative Kraft ihre Wirkung. Der Arbeitsplatz als Austauschort für Menschen unterschiedlicher Schichten hätte deshalb auch eine gesellschaftliche Funktion, die nicht zu vernachlässigen sei. Den Fragen, Anregungen und dem Applaus nach zu urteilen, fanden die Kritik und Anregungen Lindners bei vielen Teilnehmern Anklang.
Staatssekretär kündigt Gesetzentwurf zum Recht auf Homeoffice an
Im Abschlusspanel prognostizierte Elke Frank, Personalvorständin bei der Software AG, dass die Zukunft der Arbeitswelt hybride sei. Die Erfahrungen mit dem Homeoffice seien positiv gewesen und die Beschäftigten würden künftig auch mehr mobil arbeiten als vor der Corona-Krise. Doch die Erfahrungen hätten auch gezeigt, wie wichtig das Unternehmen als Ort sei, um die sozialen Beziehungen aufzutanken. Björn Böhning, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), stimmte dem grundsätzlich zu und kündigte an, dass die Bundesregierung auch den regulatorischen Rahmen weiterentwickeln will. Für viele Überlegungen des BMAS, etwa der Verlängerung der Kurzarbeit oder die Ermöglichung von Weiterbildung während der Kurzarbeit, gab es auf dem Kongress viel Zustimmung. Für ein Recht auf Homeoffice gab es nicht nur von Elke Frank Widerspruch. Doch Böhning ließ sich davon nicht abhalten und nannte erstmals einen Termin für den Gesetzentwurf: Anfang Oktober 2020.
Mit dem Kongress hat der BPM seine Stärke gezeigt. Auch in schwierigen Zeiten vermag er Leute zu mobilisieren und mit ihnen nicht nur über Zukunftskonzepte der Personalarbeit zu diskutieren, sondern auch über die politischen Rahmenbedingungen. Auf dem Kongress erlebbar war das allerdings in diesem Jahr nur bedingt.
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