Rz. 312

Im Kündigungsschutzprozess kann sich der Arbeitgeber grds. auf alle Kündigungsgründe stützen, die bei Zugang der Kündigung objektiv vorlagen. Gründe, die nach Ausspruch der Kündigung hinzugekommen sind, können nur eine neue (vorsorgliche) Kündigung rechtfertigen. Da der Arbeitgeber im Allgemeinen seine Kündigung nicht begründen muss[1], kann er auch solche Gründe anführen, die er dem Arbeitnehmer noch nicht mitgeteilt hatte. Wenn der Arbeitgeber zur Begründung der Kündigung verpflichtet war, ist es ihm verwehrt, solche Gründe nachzuschieben, die ihm bei Ausspruch der Kündigung bekannt waren, die er aber nicht genannt hat.[2] Besteht im Betrieb ein Betriebsrat, ist dieser vor Ausspruch der Kündigung anzuhören, vgl. § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Dem Betriebsrat muss der Arbeitgeber alle Kündigungsgründe nennen, auf die er sich stützen will. Diese kann er später im Prozess konkretisieren und erläutern. Gründe, die ihm bei Ausspruch der Kündigung bekannt waren, aber die er dem Betriebsrat nicht genannt hat, kann er später im Prozess nicht vortragen. Gründe, die bei Zugang der Kündigung objektiv vorlagen, aber dem Arbeitgeber erst später bekannt wurden, kann er in den Prozess einführen, nachdem er den Betriebsrat dazu angehört hat.[3] Wird der Arbeitgeber bei der Anhörung des Betriebsrats durch eine Person vertreten, die selbst an den Handlungen gegen die Interessen des Arbeitgebers beteiligt ist und bei Offenlegung des Kündigungssachverhalts Nachteile für sich selbst befürchten müsste, wird seine Kenntnis nicht dem Arbeitgeber zugerechnet, vielmehr ist dann auf die Kenntnis eines nicht an dem Sachverhalt beteiligten Vertreters abzustellen.[4] Bei der außerordentlichen Kündigung ist darauf zu achten, dass der Arbeitgeber nur solche Gründe nachschieben kann, die ihm bei Ausspruch der Kündigung noch nicht länger als 2 Wochen bekannt waren (BGH, Urteil v. 1.12.2003, II ZR 161/02[5]). Für nachträglich bekannt gewordene Gründe gilt § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht.[6]

[1] Vgl. aber Rz. 129 ff.
[2] ErfK/Schlachter, 23. Aufl. 2023, § 22 BBiG, Rz. 7.
[3] Linck/Krause/Bayreuther/Krause, KSchG, 16. Aufl. 2019, § 1 KSchG, Rz. 251; ErfK/Kania, 23. Aufl. 2023, § 102 BetrVG, Rz. 27; KR/Rinck, 13. Aufl. 2022, § 102 BetrVG, Rz. 248.
[5] NZA 2004, 173, 175; ErfK/Niemann, 23. Aufl. 2023, § 626 BGB, Rz. 230.

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