Verfahrensgang

LG Aachen (Aktenzeichen 12 O 302/19)

 

Tenor

Die Berufung des Verfügungsbeklagten gegen das am 20.08.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Aachen (Az.: 12 O 302/19) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Verfügungsbeklagte zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II. 1. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat den Verfügungsbeklagten zu Recht im Wege der einstweiligen Verfügung dazu verpflichtet, den Verfügungskläger zu 3) auch über den 01.08.2019 hinaus bis zur rechtskräftigen Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren an der Bischöflichen St. ... Schule in D. zu beschulen. Der für den Erlass der einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsanspruch liegt ebenso vor wie der notwendige Verfügungsgrund.

a. Der Anspruch der Verfügungskläger zu 1) bis 3) auf weitere Beschulung des Verfügungsbeklagten zu 3) in der von dem Verfügungsbeklagten getragenen Bischöflichen St. ... Schule ergibt sich aus dem im Jahr 2014 mündlich geschlossenen Privatschulvertrag.

Der Privatschulvertrag ist rechtlich als zivilrechtlicher Dienstvertrag zu qualifizieren (vgl. nur BGH, Urteil vom 17.01.2008, Az. III ZR 74/07; BGH, Urteil vom 28.02.1985, Az. IX ZR 92/94 - jeweils zitiert nach juris).

Ohne Erfolg macht der Verfügungsbeklagte insoweit geltend, es handele sich zwar um ein Dienstverhältnis, aber um keinen Dienstvertrag i.S.d. §§ 611 ff. BGB (BI. 162 ff. d.A.); er meint, ein Dienstvertrag könne deshalb nicht angenommen werden, weil - was unstreitig ist - ein Schulgeld von den Verfügungsklägern nicht zu entrichten ist. Richtig ist zwar, dass § 611 BGB den Dienstvertrag als gegenseitigen Vertrag, durch den der eine Teil zur Leistung der versprochenen Dienste und der andere Teil zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet wird, beschreibt. Aus § 612 Abs. 1 BGB ergibt sich indes, dass das Fehlen einer Vergütungspflicht nicht zwingend gegen die Einordnung eines Vertrags als Dienstvertrag spricht (vgl. hierzu Baumgärtner in: BeckOK BGB, 52. Edition, 01.12.2019, § 612 Rn. 3). Angemerkt sei im Übrigen, dass die Beschulung des Verfügungsklägers zu 3) hier bei Gesamtbetrachtung keineswegs - wie der Verfügungsbeklagte es aber darstellen möchte - gänzlich ohne Kostenerstattung erfolgt. Der Verfügungsbeklagte als Träger einer staatlich anerkannten Ersatzschule dürfte vielmehr - worauf auch die Verfügungskläger hinweisen - gemäß Art. 9 Abs. 2 S. 3 LV NRW zu Lasten des Staates auf die Erhebung von Schulgeld verzichtet haben und deshalb - wie öffentliche Schulen - einen Anspruch gegen den Staat auf die Gewährung von Lehr- und Lernmitteln haben.

b. Der Schulvertrag ist durch den Verfügungsbeklagten weder im Wege der außerordentlichen noch im Wege der ordentlichen Kündigung wirksam gekündigt worden.

aa. Ob das Schreiben des Verfügungsbeklagten vom 12.07.2019, mit welchem dieser erklärt hat, den Schulvertrag fristlos zu kündigen, auch als (hilfsweise) ordentliche Kündigung ausgelegt oder ggf. in eine solche umgedeutet werden könnte, oder der Verfügungsbeklagte ordentliche Kündigungen zu einem späteren Zeitpunkt ausgesprochen hat, kann vorliegend dahinstehen. Denn eine ordentliche Kündigung des Schulvertrags zum Ende des Schulhalbjahrs oder Ende des Schuljahrs scheidet hier von vornherein aus.

Sofern - wie hier - eine anderweitige Vereinbarung nicht getroffen ist, ist bei einem Schulvertrag unter Berücksichtigung der Interessenlage der Vertragsparteien und dem von diesen verfolgten Zweck davon auszugehen, dass der Vertrag so lange laufen soll, bis das zu beschulende Kind die Schule mit dem durch die Schulform vorgesehenen Schulabschluss - bei einem Gymnasium wie hier das Abitur - verlässt (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 17.01.2008, Az. III ZR 74/07 - zitiert nach juris).

Handelt es sich damit also um ein befristetes Dienstverhältnis (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 17.01.2008, Az. III ZR 74/07 - zitiert nach juris), so ist die ordentliche Kündigung - wie sich aus § 620 Abs. 2 BGB ergibt - ausgeschlossen.

Aus der von dem Verfügungsbeklagten für seine gegenteilige Ansicht angeführten Entscheidung des BGH vom 17.01.2008 (Az. III ZR 74/07) ergibt sich nichts anderes. Darin setzt sich der BGH zwar ausführlich mit der Zulässigkeit einer ordentlichen Kündigung auseinander und bejaht diese insbesondere im Hinblick auf das grundrechtlich geschützte Recht zur Einrichtung von privaten Schulen nach Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG, dessen Bestandteil auch das Recht zur freien Schülerwahl sei und das auch bedeute, dass sich ein privater Schulträger von Schülern wieder trennen können müsse. Der vom BGH zu entscheidende Fall liegt indes in einem entscheidenden Punkt anders als der hier zur Entscheidung stehende Sachverhalt: Dort nämlich hatten die Parteien im formularmäßigen Schulvertrag ausdrücklich eine Möglichkeit zur ordentlich...

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