Entscheidungsstichwort (Thema)

Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder. Anfechtung der Wahl

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die betriebsratsinterne Wahl zur Freistellung (Voll- und Teilfreistellung) von Betriebsratsmitgliedern verstößt gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren, wenn es an einer vorherigen Entscheidung des Betriebsrats dazu fehlt, ob und ggf. in welchem Umfang Vollfreistellungen durch Teilfreistellungen ersetzt werden sollen.

2. Die betriebsratsinterne Wahl zur Freistellung der freizustellenden (voll- und teilfreizustellenden) Betriebsratsmitglieder hat bei einer Wahl nach Verhältniswahlrecht in einem einzigen einheitlichen Wahlgang zu erfolgen.

 

Normenkette

BetrVG § 38

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Betriebsrats (Beteiligter zu Ziffer 2) und des Betriebsratsmitglieds H. (Beteiligter zu Ziffer 5) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Ulm vom 09.03.2011 – 4 BV 9/10 – wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

A.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der betriebsratsinternen Wahl der freigestellten und teilfreigestellten Betriebsratsmitglieder vom 26. Mai 2010.

Der Antragsgegner und Beteiligte zu Ziffer 2) (im Folgenden: Betriebsrat) ist der bei der Beteiligten zu Ziffer 3) (im Folgenden: Arbeitgeberin) gebildete Betriebsrat. Er wurde Anfang Mai 2010 gewählt und besteht aus 15 Mitgliedern. Die konstituierende Sitzung mit der Wahl der Betriebsratsvorsitzenden F. und deren Stellvertreter fand am 12. Mai 2010 statt.

Der Antragsteller und Beteiligte zu Ziffer 1) (im Folgenden: Betriebsratsmitglied B.) ist Mitglied des Betriebsrats.

Die Beteiligten zu den Ziffern 4) bis 8) (im Folgenden: Betriebsratsmitglied D. – Ziffer 4, Betriebsratsmitglied H. – Ziffer 5, Betriebsratsmitglied K. – Ziffer 6, Betriebsratsvorsitzende F. – Ziffer 7 und Betriebsratsmitglied M. – Ziffer 8) sind Mitglieder des Betriebsrats, die im Falle der Unwirksamkeit der Wahl vom 26. Mai 2010 ihre Freistellung verlieren würden.

Mit Einladungsschreiben vom 17. Mai 2010 (Bl. 52 der erstinstanzlichen Akte) lud die Betriebsratsvorsitzende F. zur ersten ordentlichen Sitzung des Betriebsrats am 26. Mai 2010 ein unter Beifügung einer vorläufigen Tagesordnung (Bl. 53 – 58 der erstinstanzlichen Akte). Unter dem Tagesordnungspunkt Nummer 6. heißt es:

„ 6. Freistellungen

1. Beratung mit dem Arbeitgeber

§ 38

2. Wahl der freigestellten BR

3. Teilung von Freistellungen”

An der Betriebsratssitzung am 26. Mai 2010 nahmen 14 ordentliche Mitglieder und für das Betriebsratsmitglied B. das Ersatzmitglied R. teil (Anwesenheitsliste Bl. 59 und 60 der erstinstanzlichen Akte). Zunächst wurde mit dem eingeladenen Geschäftsführer der Arbeitgeberin P. über die Anzahl der Freistellungen beraten. Dieser stimmte den gesetzlich vorgesehenen drei Freistellungen zu, lehnte aber die Gewährung von zusätzlichen Freistellungen ab. Er teilte auch mit, dass er mit Teilfreistellungen einverstanden sei, solange der Umfang von drei Vollfreistellungen nicht überschritten werde.

Nachdem der Geschäftsführer die Betriebsratssitzung verlassen hatte, rief die Betriebsratsvorsitzende F. den Tagesordnungspunkt 6.2 „Wahl der freigestellten BR” auf und bat um Wahlvorschläge für die Freistellungen. Es wurden drei Vorschläge (Vorschlagslisten) unterbreitet, wobei der Vorschlag 1 die Namen der Betriebsratsmitglieder F., M., K. und B., der Vorschlag 2 die Namen der Betriebsratsmitglieder D., H. und M. und der Vorschlag 3 die Namen der Betriebsratsmitglieder L., B., K. und E. enthielt. Nachdem die Wahlvorschläge mit den Namen der Kandidaten auf einem Flipchart notiert worden waren, wurde eine geheime Wahl mit gefalteten und eingesammelten Stimmzetteln nach den Grundsätzen der Verhältniswahl durchgeführt. Die Vorschlagsliste 1 erhielt acht Stimmen, die Vorschlagsliste 2 vier Stimmen und die Vorschlagsliste 3 drei Stimmen. Nach dem dann angewandten Höchstzahlverfahren entfielen zwei Höchstzahlen auf die Liste 1 und eine Höchstzahl auf die Liste 2. Wegen der genauen Aufteilung wird auf die Niederschrift zu der Betriebsratssitzung vom 26. Mai 2010, Bl. 63 der erstinstanzlichen Akte, verwiesen. Weiterhin wurde in dieser Niederschrift unter Bemerkungen zum Tagesordnungspunkt 6.2 (Bl. 63 der erstinstanzlichen Akte) festgehalten: „Nach Anwendung des Höchstzahlenverfahrens wurden in die Freistellung die Betriebsräte F. M. und D. gewählt.”

In der Folge wurden seitens des Wahlvorschlags 1 zwei Betriebsräte (M. und K.) und von Seiten des Wahlvorschlags 2 ebenfalls zwei Betriebsräte (D. und H.) für eine jeweils 50-prozentige Teilfreistellung benannt. Hierüber wurde dann im Betriebsrat en bloc öffentlich per Handzeichen abgestimmt, wobei sich die Mitglieder mehrheitlich für die vorgeschlagene Verteilung der Teilfreistellungen aussprachen. In der Niederschrift zu der Betriebsratssitzung vom 26. Mai 2010, Bl. 63 der erstinstanzlichen Akte, heißt es dazu:

„6.3 Teilung von Freistellungen

J. / N. / E.

Vorschlag 1: Teilung zu je 50 % für die Betriebsräte M. und K.

12/1/2

Vorsch...

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