Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristeter Arbeitsvertrag; Vertragsverlängerung nach § 625 BGB
Leitsatz (amtlich)
1. Die Rechtsfolge der Verlängerung eines Arbeitsverhältnisses nach § 625 BGB tritt nur ein, wenn der Arbeitnehmer unmittelbar nach dem Ablauf des Arbeitsverhältnisses seine Tätigkeit mit Wissen seines Arbeitgebers fortsetzt.
2. Erhält der Arbeitnehmer nach dem Ablauf eines befristeten Arbeitsverhältnisses Freizeit als Überstundenausgleich sowie Urlaub und nimmt er danach die Arbeit wieder auf, ist der Tatbestand des § 625 BGB nicht gegeben. Die Tatsachen können aber auf eine ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses hindeuten.
Normenkette
BGB § 620 Abs. 1, § 625
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 13. Mai 1997 – 13 Sa 29/97 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses nach § 625 BGB.
Die Klägerin war seit dem 15. August 1994 bei der Beklagten im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) zum Thema „Frauenstudien” befristet beschäftigt. Vor Ablauf des ersten Zeitvertrags für die Zeit vom 15. August 1994 bis zum 14. August 1995 wurde die ABM durch Bescheid der Arbeitsverwaltung vom 29. August 1995 bis zum 14. März 1996 verlängert. Daraufhin vereinbarten die Parteien einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit bis zum 14. März 1996.
Nach einer weiteren Verlängerung der ABM bis zum 14. September 1996 fand am 12. Februar 1996 zwischen der Klägerin und dem zuständigen stellvertretenden Abteilungsleiter ein Gespräch über die Fortführung der Maßnahme statt, dessen Inhalt zwischen den Parteien streitig ist. Am 29. Februar 1996 leitete die Beklagte das personalvertretungsrechtliche Beteiligungsverfahren zur befristeten Weiterbeschäftigung der Klägerin ein, das mit der Zustimmung des Personalrats vom 13. März 1996 abgeschlossen wurde.
Der Klägerin wurde in der Folgezeit kein schriftlicher Arbeitsvertrag vorgelegt. Ihre Gehaltszahlungen wurden mit dem 14. März 1996 eingestellt. Für die Zeit vom 15. März bis 24. März 1996 erbrachte sie keine Arbeitsleistung, nach dem ihr für den 15. März 1996 Freizeitausgleich und anschließend Urlaub gewährt worden war. Nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub forderte sie am 25. März 1996 die Abteilungsleiterin auf, sich um die Verträge und die Fortführung der Gehaltszahlungen zu kümmern. Anschließend ging sie ihrer bisherigen Tätigkeit nach und erhielt am 29. April 1996 eine Abschlagszahlung für die Zeit bis 30. April 1996 und am 8. Mai 1996 einen von der Beklagten unterzeichneten Arbeitsvertrag, der bis zum 14. September 1996 befristet war. Diesen Zeitvertrag hat die Klägerin nicht gegengezeichnet.
Sie hat gemeint, ihr Arbeitsverhältnis bestehe über den 14. März 1996 nach § 625 BGB unbefristet fort. Sie habe ihre Arbeit über das vereinbarte Fristende hinaus mit Wissen der Arbeitgeberin fortgesetzt. Die Beklagte habe der Fortsetzung nicht widersprochen. Ein weiteres befristetes Arbeitsverhältnis sei nicht wirksam zustande gekommen. Unabhängig davon sei eine weitere Befristung unwirksam, weil ihr der Personalrat verspätet zugestimmt habe.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verlangt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien am 14. März 1996 geendet hat und nicht infolge der weiteren Tätigkeit der Klägerin nach diesem Zeitpunkt gemäß § 625 BGB als unbefristetes fortgesetzt worden ist.
1. Im Ergebnis zu Recht hat das Landesarbeitsgericht nur die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 14. März 1996 hinaus geprüft, weil nach diesem Zeitpunkt ein wirksames Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht mehr zustande gekommen ist. Zwar hat die Beklagte der Klägerin am 8. Mai 1996 ein Angebot auf Abschluß eines befristeten Arbeitsverhältnisses unterbreitet, über dieses Angebot haben die Parteien jedoch keine Einigung erzielt. Deshalb ist auch der Einwand der Klägerin, die Befristung in diesem Angebot habe das Mitbestimmungsrecht des Personalrats verletzt, ohne Bedeutung.
2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht infolge der tatsächlichen Beschäftigung der Klägerin nach dem 14. März 1996 gemäß § 625 BGB auf unbestimmte Zeit stillschweigend verlängert worden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift liegen nicht vor.
a) § 625 BGB regelt die stillschweigende Verlängerung von Arbeitsverhältnissen unabhängig vom Willen der Parteien in Form einer unwiderleglichen gesetzlichen Vermutung. Das ist von einer ausdrücklichen oder konkludenten Vereinbarung der Parteien über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu unterscheiden. § 625 BGB findet keine Anwendung, wenn es vor oder nach dem Ablauf des Zeitvertrags zu einer Vereinbarung über die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses kommt. Deshalb setzt § 625 BGB auf Seiten des Arbeitnehmers eine tatsächliche Fortführung des Arbeitsverhältnisses im unmittelbaren Anschluß an das Ende der Befristung voraus. Die in § 625 BGB geregelte Rechtsfolge kann der Arbeitnehmer nur durch das tatsächliche Erbringen einer Arbeitsleistung erreichen (ErfKomm/Müller-Glöge, § 625 BGB Rn 10; KR-Fischermeier 5. Aufl., § 625 BGB Rz 28). Ein vom Arbeitnehmer lediglich konkludent zum Ausdruck gebrachter Wille zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses reicht für den gesetzlichen Tatbestand nicht aus.
Die Klägerin hat ihre Tätigkeit für die Beklagte faktisch erst am 25. März 1996 und damit zu einem Zeitpunkt fortgeführt, der nicht unmittelbar an das Ende des Zeitvertrags am 14. März 1996 anschließt. Das schließt die Anwendung des § 625 BGB aus. Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die von ihr vorgetragenen Gründe für die Nichterbringung der Arbeitsleistung unerheblich. Die ihr gewährte Arbeitsbefreiung (Überstundenausgleich und Urlaub) könnte allenfalls ein Indiz dafür sein, daß sich die Parteien vor Ablauf des Zeitvertrags bereits auf eine befristete oder unbefristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geeinigt hätten. Einen darauf gerichteten, durch konkludente Willenserklärungen beider Parteien zustande gekommenen unbefristeten Arbeitsvertrag hat die Klägerin jedoch nicht vortragen können. Das einfache Bestreiten des Vorbringens der Beklagten zum Inhalt des Personalgesprächs vom 12. Februar 1996 genügt dafür nicht.
b) Fehlt es bereits an einer tatsächlichen Arbeitsleistung in unmittelbarem Anschluß an das vereinbarte Fristende, kann offenbleiben, ob auch die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach § 625 BGB erfüllt sind.
3. Die Befristung des Arbeitsverhältnisses war wirksam. Die bis zum 14. März 1996 vereinbarte Befristung beruhte auf der Gewährung einer ABM durch die Arbeitsverwaltung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine solche Befristung sachlich gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen einer ABM zugewiesen worden ist und die Dauer der Befristung mit der Dauer der Zuweisung übereinstimmt (BAGE 55, 338, 343 = AP Nr. 114 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag st. Rspr.). Der Sachgrund für eine solche Befristung liegt darin, daß im Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien die zeitlich befristete Übernahme eines erheblichen Kostenanteils durch die Arbeitsverwaltung für die Einstellung des Arbeitnehmers entscheidend ist und der Arbeitgeber ohne entsprechende Zusage entweder keinen oder einen von ihm selbst ausgewählten Arbeitnehmer eingestellt hätte. Die Voraussetzungen dieses Sachgrundes sind vorliegend auch erfüllt. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist für die Dauer der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits bewilligten ABM befristet worden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dörner, Steckhan, Schmidt, Bea, Niehues
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 02.12.1998 durch Siegel, Amtsinspektorin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
DB 1999, 694 |
NJW 1999, 1654 |
NWB 1999, 1628 |
FA 1999, 126 |
FA 1999, 157 |
NZA 1999, 482 |
RdA 1999, 296 |
SAE 1999, 295 |
ZTR 1999, 229 |
AP, 0 |
AuA 1999, 520 |
ZMV 1999, 246 |
GV/RP 2000, 70 |
KomVerw 2000, 60 |
FuBW 1999, 951 |
FuHe 2000, 125 |
FuNds 2000, 153 |